Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
und verstaute die Rinde in meinem Bündel. »Ich benutze Elfenrinde schon seit Jahren.«
»Ein Grund mehr, jetzt damit aufzuhören«, erwiderte sie streng.
Der Nachmittag war ungefähr zur Hälfte um, als Nik die Wagen halten ließ. Er und zwei seiner Männer ritten voraus, während die anderen uns versicherten, es bestehe kein Grund zur Sorge, es müssten nur Vorbereitungen für die Flussüberquerung getroffen werden. Wir sollten uns etwas gedulden. Ohne dass ich ihm ein Zeichen gegeben hätte, schlich Nachtauge sich davon, um Nik und seinen Männern zu folgen. Ich lehnte mich auf dem Kutschbock zurück und schlang die Arme um den Leib, um mich zu wärmen.
»He du! Ruf deinen Hund zurück!«, befahl einer der Männer plötzlich.
Ich richtete mich auf und tat so, als ob ich nach ihm Ausschau halten würde. »Wahrscheinlich hat er ein Kaninchen gewittert. Er kommt bald wieder, keine Sorge. Das treue alte Tier läuft mir überallhin nach.«
»Ruf ihn zurück, auf der Stelle!«, wiederholte der Mann drohend.
Also stellte ich mich auf den Bock und rief nach meinem ›Hund‹. Er kam nicht. Mit einem bedauernden Schulterzucken setzte ich mich wieder hin. Der Mann fuhr fort, mich argwöhnisch zu belauern, aber ich beachtete ihn nicht.
Der Tag war klar und kalt gewesen, der Wind schneidend. Krähe hatte während der ganzen Fahrt stumm gelitten. Meine Schulter wollte wegen der Kälte und dem Nachtlager auf dem harten Boden gar nicht mehr aufhören zu schmerzen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass wir bald den Fluss überquert haben würden. Danach waren die Berge nicht mehr fern. Vielleicht konnte ich mich dort endlich vor Edels Zirkel sicher fühlen.
Männer hantieren mit Seilen am Flussufer . Ich schloss die Augen und bemühte mich zu sehen, was Nachtauge sah. Es war schwierig, denn er beobachtete nur die Männer selbst, während mich interessierte, was sie da gemeinsam taten. Ich brauchte eine Weile um aus seinen Gedanken herauszulesen, dass sie ein Führungsseil benutzten, um ein dickeres Tau quer über den Fluss zu spannen. Dann begannen am anderen Ufer zwei Männer damit, an der Böschung einer Flussnische ein Gewirr von angeschwemmtem Treibholz auseinanderzuräumen. Bald war der dort versteckte Lastkahn freigelegt, und die Männer machten sich daran, das Eis abzuschlagen, das sich darauf gebildet hatte.
»Wach auf?« Krähe stieß mir den Ellenbogen in die Rippen. Als ich mich aufsetzte, sah ich den Wagen vor uns bereits anrollen. Wir fuhren nur ein kurzes Stück, dann bogen wir von der Straße ab und steuerten auf einen freien Platz am Ufer zu. Die ausgebrannten Ruinen einiger Hütten waren vermutlich Überbleibsel der Feuersbrunst, die dieses Land gezeichnet hatte. Zu der ehemaligen Anlegestelle am Ufer gehörte eine primitive, ziemlich verrottete Rampe aus Holzbalken und Lehm. An der gegenüberliegenden Seite entdeckte ich das Wrack der alten Fähre, die halb gesunken und von Eis bedeckt war, durch die aber bereits schon Schilfgras hindurchwuchs. Sie moderte offenbar schon seit vielen Jahren vor sich hin. Die Hütten drüben waren in kaum besserem Zustand als die auf unserer Seite; auch ihre Dächer waren eingestürzt. Hinter ihnen erhoben sich sanfte, von Nadelwald bedeckte Hügel, die in der Ferne von den Gipfeln des Bergreichs stolz überragt wurden.
Ein Trupp Männer hatte den freigelegten Lastkahn zu Wasser gelassen. Jetzt kamen sie zu uns herüber. Uns stand ein kühnes Wagnis bevor. Die Fähre war an dem Spannseil festgemacht, aber trotzdem versuchte der tosende Fluss sie zu packen und loszureißen. Auf unserer Seite hatte man die Reittiere von Nik und seinen Männern an die Leine des Flaschenzugs geschirrt, während am anderen Ufer ein Gespann geduldiger Maultiere sich langsam rückwärts bewegte. Der Bug des Kahns hob und senkte sich im heftigen Wellengang, während entlang der Breitseite die Gischt der wilden Strömung hochschäumte. Bei jedem Eintauchen spritzte Wasser über das flache, offene Deck. Es würde ganz sicher keine trockene Überfahrt werden.
Die Pilger flüsterten ängstlich miteinander, bis sich schließlich die Stimme eines Mannes über das Gemurmel erhob: »Welche andere Wahl haben wir denn?« Daraufhin verstummten sie und blickten der Fähre mit deutlichem Bangen entgegen.
Niks Wagen samt Gespann sollte als Erster übersetzen. Vielleicht hatte man es so geplant, um den Pilgern Mut zu machen. Die Fähre wurde dicht an die Rampe verholt und mit dem Heck voran
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