Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Kameraden. Voller Zorn brüllte er etwas über sein Versprechen und seine Ehre. Ich duckte mich unter der Faust meines Angreifers hinweg, als eine Welle mich bis zur Mitte des Decks schwemmte. Gerade als ich mich an das Karrenrad geklammert und mein Schwert halb aus der Scheide gezogen hatte, packte mich jemand von hinten. Mein Angreifer kam erneut auf mich zu und grinste, denn dieses Mal hielt er den Dolch gleich stoßbereit. Da flog plötzlich ein triefender, pelziger Körper an mir vorbei. Nachtauge sprang dem Mann gegen die Brust und schleuderte ihn rücklings gegen die Reling.
Ich hörte das Knirschen des bereits gesplitterten Pfostens. Langsam, ganz langsam, rutschten beide, Mann und Wolf, samt der Reling ins Wasser hinein. Ich sprang hinterher. Es gelang mir, gleichzeitig mit der einen Hand den Stumpf des abgebrochenen Pfostens zu fassen und mit der anderen Hand nach Nachtauges Schwanz zu greifen. Ich musste dafür allerdings mein Schwert fahren lassen. Nachtauges Kopf tauchte wieder aus dem Wasser auf. Seine Vorderpfoten scharrten verzweifelt am Rumpf der Fähre. Ich packte sein Nackenfell und zog ihn nach oben.
Dann traf mich mit voller Wucht ein Stiefeltritt an meiner wunden Schulter. Ich hatte kaum Zeit über den brennenden Schmerz nachzudenken, da traf mich schon der nächste Tritt am Kopf. Ich sah, wie sich daraufhin meine Finger öffneten, sah, wie Nachtauge zurück ins Wasser glitt, von der Strömung ergriffen und mitgerissen wurde.
»Mein Bruder!«, schrie ich ihm laut hinterher, doch das wilde Rauschen des Flusses verschluckte meine Worte. Der nächste Wasserschwall brandete über mich hinweg und schlug mir ins Gesicht. Als es wieder möglich war, stemmte ich mich hoch, bis ich auf allen vieren an Deck kauerte. Der Mann, der mich getreten hatte, kniete sich neben mir nieder. Gleich darauf fühlte ich den Druck seines Messers an meinem Hals.
»Bleib, wo du bist, und rühr dich nicht«, ermahnte er mich grimmig, dann rief er Nik über die Schulter zu: »Und du hältst dich da raus! Ich erledige das auf meine Art!«
Ich nahm ihn jedoch nur am Rande wahr. Jede Faser meines Bewusstseins war noch darauf ausgerichtet, Nachtauge zu erreichen. Das Deck schwankte unter mir. Der Fluss kochte förmlich über, und ich wurde von Gischt und Wellen überschüttet. Kalt. Nass. Wasser in Mund und Nase, ich wusste nicht mehr, wo mein Bewusstsein endete und das von Nachtauge begann. Falls er noch am Leben war...
Unvermittelt prallte die Fähre gegen die Rampe.
Meine Gegner waren zu unvorsichtig, als sie mich wieder auf die Füße stellen wollten. Der eine nahm den Dolch von meinem Hals, noch bevor der andere die Hand in mein Haar gekrallt hatte. Mit einem Ruck schnellte ich todesmutig in die Höhe und stieß sie beiseite. Und meine überströmenden Gefühle von Hass und Wut übertrugen sich auf die verängstigte Schecke. Als so einer meiner Gegner dicht vor ihr niederstürzte, drückte sie ihm mit einem einzigen Hufschlag den Brustkorb ein. Damit blieben nach meiner Rechnung noch zwei übrig. Einen beförderte ich mit einem Schulterstoß in den Fluss, doch es gelang ihm, sich an dem Kahn festzuhalten, während ich bereits auf seinen Kameraden losgestürzt war und ihn würgte. Nik schrie etwas, das sich wie eine Warnung anhörte. Ich drückte dem Mann vor mir die Kehle zu und schmetterte seinen Kopf auf die Decksplanken, als sich plötzlich viele neue Gegner auf mich warfen. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, den braun-goldenen Waffenrock abzulegen. Ich wehrte mich nach Kräften und wollte einen Kampf auf Leben oder Tod, doch sie überwältigten mich. Von weiter oben hörte ich wildes Geschrei. Ich glaubte, Merles zornig erhobene Stimme daraus zu erkennen.
Nach einer Weile lag ich an Händen und Füßen gefesselt am Ufer. Ein Soldat stand mit gezücktem Schwert neben mir Wache. Mir war unklar, ob er mich damit bedrohte oder den Auftrag hatte, die anderen daran zu hindern, mich zu erschlagen. Sie standen im Kreis um mich herum und starrten gierig auf mich nieder wie Wölfe auf ein frisch gerissenes Stück Wild. Ich nahm sie kaum zur Kenntnis, sondern spürte hinaus zu Nachtauge, der irgendwo um sein Leben kämpfte. Das Band zwischen uns wurde schwächer und schwächer, je mehr seine Kräfte schwanden.
Nik wurde plötzlich neben mir zu Boden gestoßen. Er hatte ein geschwollenes Auge, und als er mich angrinste, sah ich, dass seine Zähne blutig geschlagen waren. »Nun, da wären wir, Tom, auf der
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