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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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jedermann sichtbar zu machen. An diesem Abend war unsere Unterkunft weit weniger behaglich. Lediglich einige windschiefe Hütten boten uns Schutz vor der Kälte. Die Dächer waren eingebrochen und beschädigt, so dass auf dem Boden stellenweise dichter Schnee lag und der Wind unter der Tür hindurch ihn zu einer kleinen Düne aufgeweht hatte. Den Pferden blieb nichts anderes übrig, als an der windabgewandten Seite der baufälligen Katen Schutz zu suchen. Wir tränkten sie am Fluss, und jedes bekam eine Portion Körnerfutter. Heu gab es nicht.
    Nachtauge begleitete mich auf der Suche nach Brennholz. In den Hütten lag ein kleiner Vorrat bereit, so dass man ein Feuer anzünden und sich zumindest eine Mahlzeit kochen konnte, aber nicht genug, um es die ganze Nacht in Gang zu halten. Während wir auf der Suche nach Treibholz am Ufer entlanggingen, dachte ich darüber nach, wie sich unser Verhältnis verändert hatte. Wir sprachen nicht mehr so viel miteinander wie früher, doch dafür hatte ich das Gefühl, dass ich mir seiner viel bewusster war als je zuvor. Vielleicht bestand weniger Notwendigkeit zur Aussprache, doch abgesehen davon, hatten wir uns in der Zeit unserer Trennung beide verändert. Wenn ich ihn jetzt anschaute, sah ich manchmal zuerst den Wolf und dann erst meinen Gefährten.
    Du fängst endlich an, mich so zu respektieren, wie ich es verdiene. Er versuchte mich damit zu ärgern, jedoch verbarg sich darin ein Körnchen Wahrheit. Dann tauchte Nachtauge plötzlich links von mir aus dem Buschwerk auf, trabte leichtfüßig über den tiefverschneiten Pfad und brachte es auf geheimnisvolle Art fertig, sich zwischen Schneewehen und unbelaubten dürren Sträuchern unsichtbar zu machen.
    Du bist kein Welpe mehr, das stimmt.
    Wir sind beide keine Welpen mehr, das haben wir auf dieser Wanderung herausgefunden. Du siehst dich doch auch nicht mehr als Knabe.
    Ich stapfte wortlos durch den Schnee und dachte über seine Worte nach. Nachtauge hatte Recht. Seltsamerweise empfand ich ein kurzes Bedauern über den Verlust der Jugend, und mit ihr das Bedauern über den Verlust eines glatten Gesichts und dem sorglosen Mut eines Jungen.
    Ich fürchte, ich war ein besserer Junge, als jetzt ein Mann , meinte ich betrübt.
    Weshalb wartest du nicht ab, bis du etwas mehr Übung hast und urteilst dann?, antwortete er.
    Der Pfad, dem wir folgten, war kaum eine Karrenspur breit und nur als Streifen sichtbar, wo nicht gerade Zweige oder Gräser aus dem Weiß hervorragten. Der Wind, der als unermüdlicher Bildhauer den Schnee zu Dünen und Klippen modellierte, wehte mir so leidenschaftlich ins Gesicht, das meine Nase und Stirn von seiner rauen Liebkosung buchstäblich brannten. Dem Auge bot sich die gleiche verschneite Tristesse wie seit Tagen, und doch fühlte ich mich so allein inmitten der Weite und Stille, nur von einem Wolf begleitet, wie in eine andere, fremde Welt versetzt. Dann kamen wir an den Fluss.
    Schau. Nachtauge stieß ein erregtes Grollen aus. Ich spürte das Brennen seines Hungers, während wir einen stattlichen Bock beobachteten, der an den Fluss zur Tränke gekommen war. Er hob sein Geweih und schaute aufmerksam, aber nicht erschreckt zu uns herüber, weil er sich in Sicherheit wusste. Allein schon bei Nachtauges Gedanken an frisches Fleisch lief mir das Wasser im Mund zusammen. Am anderen Ufer wird die Jagd ergiebiger sein .
    Hoffentlich. Er sprang von der Böschung auf den schneebedeckten Saum aus Geröll und Kies am Flussufer und trabte gemächlich flussaufwärts. Ich folgte ihm weit weniger anmutig und hob auf, was ich an trockenen Ästen und Zweigen fand. Das Gehen war hier unten weit mühsamer und der Wind schneidender, während die Kälte des Wassers jede Bewegung zusätzlich erschwerte. Nachdenklich beobachtete ich Nachtauge, der stöbernd vor mir herlief. Seine Bewegungen waren anders, er hatte viel von seiner welpenhaften Neugier und Verspieltheit verloren. Der Rehschädel, der früher eine gründliche Untersuchung erfordert hätte, wurde jetzt mit einem einzigen Pfotenschlag herumgedreht, nur um festzustellen, ob es sich wirklich allein um blanke Knochen handelte. Dann setzte Nachtauge seinen Erkundungsgang fort und untersuchte zielstrebig angespültes Treibgut. - Ob sich vielleicht Beute darunter verbarg? Er schnüffelte an der unterspülten Böschung nach vielversprechenden Duftspuren. Jenen kleinen Nager, der sich zur Unzeit aus seinem Bau gewagt hatte, erlegte und verschlang er im Nu. Anschließend

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