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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ich zuckte die Schultern und rang mir ein Lächeln ab, obwohl mir beklommen zumute war. »Was bleibt mir anderes übrig.«
    »Was bleibt uns allen anderes übrig?«, murmelte sie vor sich hin.
    Kaum, dass ich die Kochtöpfe gesäubert und weggeräumt hatte, holte Krähe ihre Utensilien hervor und baute das Spiel vom Abend zuvor wieder auf. Ich schaute auf die ausgelegten Steine und schüttelte den Kopf. »Ich bin noch nicht dahintergekommen.«
    »Nun, das ist eine Erleichterung«, sagte sie. »Hättest du diese Nuss einfach so geknackt, allein oder auch mit deinem Wolf, dann wäre ich doch sprachlos gewesen. Es ist ein kniffliges Problem. Wir werden heute Abend wieder einige Partien spielen, und wenn du die Augen offenhältst und deinen Verstand gebrauchst, kommst du vielleicht auf die Lösung des Rätsels.«
    Doch als ich mich später schlafen legte, war ich nicht klüger geworden als zuvor.
    Am nächsten Tag kam es genauso, wie Kettricken vorhergesagt hatte. Gegen Mittag kämpfte ich mich - dicht gefolgt von Merle - durch dichtes Gestrüpp und kletterte über nacktes Felsgeröll. Trotz der Anstrengung steckte die Musikantin voller Fragen, und alle drehten sich weiter um den Narren. Was wusste ich über seine Herkunft, seine Eltern? Wer hatte seine Kleider genäht? War er je ernsthaft krank gewesen? Ich gab ihr nur ausweichende oder einsilbige Antworten und erwartete, dass sie des Verhörs irgendwann überdrüssig werden würde, aber sie war beharrlich wie eine Bulldogge. Endlich drehte ich mich aufgebracht zu ihr herum und fragte sie direkt ins Gesicht, was sie an dem Narren so faszinierte.
    Da nahm ihre Miene einen merkwürdigen Ausdruck an, als wappnete sie sich für eine Mutprobe. Sie setzte zum Sprechen an, stockte und konnte dann doch nicht widerstehen. Ihr Blick suchte den meinen und hielt ihn fest, als sie verkündete: »Der Narr ist eine Frau, und sie ist verliebt in dich.«
    Im ersten Augenblick kam es mir vor, als hätte sie mit mir in einer fremden Sprache geredet. Ich starrte sie an und versuchte zu begreifen, was sie meinte. Hätte sie nicht angefangen zu lachen, hätte ich mich vielleicht um eine Antwort bemüht, doch etwas in ihrem Gelächter war mir so sehr zuwider, dass ich ihr wortlos den Rücken zuwandte und weiterging.
    »Du wirst rot!«, rief sie mit vor Heiterkeit erstickter Stimme hinter mir her. »Ich sehe es an deinem Nacken! All die Jahre, und du hast es nie gemerkt? Nicht einmal geahnt?«
    »Das ist lächerlich. Eine verrückte Idee«, sagte ich, ohne mich umzuschauen.
    »Wirklich? Und welchen Teil der Idee meinst du?«
    »Alles«, beschied ich ihr kühl.
    »Dann sag mir, dass du mit absoluter Sicherheit weißt, dass ich Unrecht habe.«
    Ich würdigte sie keiner Antwort, und als ich mir einen Weg durch dichtes Strauchwerk bahnte, machte ich mir nicht mehr die Mühe, die Zweige für sie zurückzuhalten. Ich wusste, dass sie wusste, dass ich wütend war, denn sie lachte weiter vor sich hin. Ich drängte mich zwischen den letzten Sträuchern hindurch und schaute plötzlich auf eine hohe Steilwand mit ihrem fast nackten Fels, der sein verwittertes graues Gestein unter einer fadenscheinigen, weißgrauen Schneedecke verbarg.
    »Langsam«, warnte ich Merle, die mich eingeholt hatte. Sie schaute an mir vorbei und hielt den Atem an.
    Ich spähte zur Straße hinauf, die ins Antlitz des Berges geschnitten war wie eine Stufe in ein Stück Holz. Sie war an dieser Stelle der einzig sichere Weg, doch um dort hinzukommen, mussten wir den steilen, geröllübersäten Hang überwinden - und das bedeutete, über massive Steine zu klettern, zwischen denen sich, abgesehen von ein paar windzerzausten Bäumen und Sträuchern auf dünnen Erdschichten, keine Vegetation befand. An diesen wenigen Stellen wanden sich die Wurzeln der Pflanzen wie erstarrte Schlangen über den Fels, krallten sich in jede Ritze und jeden Spalt. Der Aufstieg würde alles andere als ein Kinderspiel sein.
    »Wir müssen da hinauf, zurück zur Straße«, sagte ich zu Merle, und sie nickte stumm.
    Leichter gesagt als getan. An manchen Stellen fühlte ich Geröll und kleinere Steinchen unter meinen Füßen ins Rutschen kommen, und mehr als einmal musste ich mich auf allen vieren weiterbewegen. Hinter mir konnte ich Merle schwer atmen hören.
    »Nur noch ein kleines Stück«, rief ich ihr zu, als plötzlich Nachtauge neben uns den Hang hinaufgerannt kam. Er überholte uns mühelos und mit kurzen, kraftvollen Sätzen. Bei der Straße angelangt,

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