Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
allerdings einzig darauf abgesehen hatten, sich mit einer fremdartigen Trophäe zu schmücken, hatte er gnadenlos in ihrer ganzen Oberflächlichkeit bloßgestellt und zum Gespött der Leute gemacht. Es hatte aber auch eine Gärtnerin gegeben, die sich von seinem Witz so eingeschüchtert fühlte, dass sie in seiner Gegenwart kein Wort mehr herausbrachte. Unter dem Gesinde wurde getuschelt, dass sie am Fuß der Treppe zu seiner Turmkammer Blumen hinlegte, und einige hatten vermutet, dass sie vom Narren gelegentlich eingeladen worden sei, diese Treppe hochzukommen. Sie musste Bocksburg später jedoch verlassen, um für ihre betagte Mutter zu sorgen, die in einem weit entfernten Dorf lebte, und damit hatte meines Wissens die zarte Romanze ein Ende.
Das war alles, was ich über den Narren und seine Beziehungen zu Frauen wusste, aber selbst dieses wenige enthielt ich Merle vor und antwortete auf ihre Fragen nur ausweichend. Ich sagte ihr, wir wären zwar Jugendfreunde, doch unsere Pflichten hätten uns wenig Muße gelassen, geselligen Umgang miteinander zu pflegen. Das kam der Wahrheit ziemlich nahe; dennoch konnte ich merken, dass es sie sowohl enttäuschte als auch ein wenig amüsierte. Ihre nächsten Fragen erschienen mir noch sonderbarer. Merle wollte wissen, ob ich je darüber nachgedacht hätte, wie sein wirklicher Name sein mochte. Darauf erwiderte ich, dass ich mich nicht einmal daran entsinnen könne, wie meine eigene Mutter mich gerufen hatte, weshalb ich auch eine gewisse Scheu davor hätte, bei anderen Menschen genau in diesem Punkt zu neugierig zu sein. Das brachte sie für eine Weile zum Schweigen, dann aber erkundigte sie sich, wie er als Kind gekleidet gewesen war. Meine Beschreibung seiner mit den Jahreszeiten wechselnden Narrentracht befriedigte sie nicht, doch ich konnte ihr nur wahrheitsgemäß versichern, dass ich ihn vor Jhaampe nie in etwas anderem als in seinem Kostüm gesehen hatte. Gegen Abend ähnelten ihre Fragen und meine Antworten schließlich mehr einem verbissenen Rededuell als einer freundlichen Unterhaltung. Ich war froh, als wir dann endlich das Lager erreichten, das die anderen in gehöriger Entfernung von der Straße aufgeschlagen hatten.
Trotzdem sorgte Krähe weiter dafür, dass ich beschäftigt war, und ließ mich neben meiner eigenen Arbeit auch die ihre tun, damit ich keine Zeit hatte, mich in Gedanken zu verlieren. Der Narr braute aus unseren Vorräten und dem Schweinefleisch einen durchaus genießbaren Eintopf zusammen, während der Wolf sich mit einer weiteren Keule zufriedengab. Nach dem Essen holte Krähe sofort das Spieltuch und den Beutel mit Steinen. »Nun werden wir sehen, was du gelernt hast«, versprach sie.
Doch nach einem halben Dutzend Partien blickte sie stirnrunzelnd zu mir auf. »Du hast wirklich nicht gelogen!«, stellte sie fest.
»Gelogen?«
»Dass der Wolf auf die Lösung gekommen ist. Hättest du die Strategie durchschaut, würdest du jetzt anders spielen. Weil aber ein anderer dir die Lösung eingegeben hat, statt dass du selbst darauf gekommen bist, tappst du immer noch im Dunkeln.«
In diesem Augenblick erhob sich der Wolf und reckte die Glieder. Ich habe genug von Steinen und Tuch, ließ er mich wissen. Zu jagen macht mehr Spaß, und am Ende wird man mit wirklichem Fleisch belohnt.
Dann bist du hungrig?
Nein. Gelangweilt. Er stieß mit der Schnauze die Zeltklappe auf und schlüpfte hinaus in die Nacht.
Krähe schaute ihm mit geschürzten Lippen hinterher. »Gerade wollte ich dich fragen, ob ihr euch nicht zusammentun könntet. Ich hätte gerne gesehen, wie ihr spielt.«
»Wahrscheinlich hat er deine Absicht geahnt«, brummte ich verärgert, weil er mich nicht aufgefordert hatte, ihn zu begleiten.
Fünf Spiele später leuchtete mir die brillante Einfachheit von Nachtauges Umzingelungstaktik ein. So wie die Steine auf den Schnittpunkten der Linien auf dem Tuch lagen, da hatte es schon die ganze Zeit vor Augen gehabt, aber nicht erkannt. Jetzt sah ich die Steine plötzlich in Bewegung und begriff es. Bei meinem nächsten Zug setzte ich die neugewonnene Erkenntnis um und gewann. Ich gewann auch die nächsten drei Spiele ohne Mühe, weil ich nun zusätzlich in der Lage war, die Spielsituationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Nach dem dritten Sieg räumte Krähe die Steine von dem Tuch. Um uns lagen die anderen bereits in tiefem Schlaf. Krähe warf eine Handvoll Zweige in die Feuerschale, damit es noch einmal für einige Zeit hell
Weitere Kostenlose Bücher