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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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aber diese dunkel schimmernde, totenstille Stadt. Ich schaute mich nach allen Seiten hin um. Ein Blick genügte, um mir zu zeigen, dass ich auf einem offenen Platz und im Schatten eines hochragenden Steinmonuments stand. Ich blinzelte kurz, kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Alles war auf diffuse Art und Weise vernebelt. Vergebens wartete ich darauf, dass meine Augen sich daran gewöhnten. Schließlich kroch mir die Kälte in die Knochen; deshalb machte ich mich auf und wanderte langsam durch die einsamen Straßen. Zuerst kehrte meine Wachsamkeit zurück, gefolgt von einer schwachen Erinnerung an meine Gefährten, die Jurte, die zerstörte Straße. Doch zwischen jenen verschwommenen Bildern und meinem Kniefall auf dem Marktplatz dieser Geisterstadt - da war schlicht nichts.
    Ich schaute den Weg zurück, den ich gekommen war. Die Straße hinter mir wurde von der Dunkelheit verschluckt, und meine Fußabdrücke wurden von den gemächlich niedersinkenden nassen Schneeflocken bedeckt. Wieder blieb ich stehen und schaute mich um. Links und rechts der Straße erblickte ich die feuchtglänzenden Mauern von Gebäuden aus Stein. Das diffuse Licht verwirrte die Augen. Es war nicht klar, woher es kam und es reichte nicht aus, um irgendetwas besser zu erkennen. Es gab keine tiefen Schatten oder besonders finstere Gassen, doch andererseits konnte ich auch nicht erkennen, wohin ich genau ging. Die Höhe und die Beschaffenheit der Bauwerke und der weitere Verlauf der Straßen blieben so buchstäblich im Dunkeln.
    Panik stieg in mir auf, die ich nur schwer niederringen konnte. Ich erinnerte mich nur allzu lebhaft daran, wie man mich vor einiger Zeit in Edels Residenz mit Blendwerk in die Irre geführt hatte. Ich hütete mich, mit der Gabe hinauszugreifen, weil ich fürchtete, irgendwo in der Stadt auf Wills üble Witterung zu stoßen. Doch wenn ich einfach nur arglos weiterging, im Vertrauen darauf, dass keine böse Absicht hinter all dem hier lauerte, dann tappte ich womöglich geradewegs in eine Falle. Im Windschatten einer Mauer machte ich Halt, zwang mich zur Ruhe und Vernunft; aber noch immer fand ich in meinem Gedächtnis keine Antworten auf die Fragen, wie und wann und warum genau ich hierhergekommen war. Mein Kopf war völlig leer. Ich spürte mit der Alten Macht nach meinem Wolf, doch nahm ich nirgendwo auch nur die geringste Spur von Leben wahr. Befand sich wirklich kein lebendes Wesen in der Nähe oder ließ mein spezieller Sinn mich im Stich? Auch das konnte ich mir nicht beantworten. Wenn ich in den dunklen Nebel hinein lauschte, hörte ich nur den Wind. Und meine Nase roch nur feuchten Stein, frischen Schnee und die Nähe eines Flusses. Wieder drohte mich eine Panik zu überwältigen, und ich lehnte mich gegen die Mauer.
    Schlagartig erwachte die Stadt um mich herum zum Leben. Ich stellte fest, dass ich an der Außenwand einer Schänke lehnte. Die Töne eines schrillen Blasinstruments drangen von dort auf die Straße heraus und Stimmen, die ein mir fremdes Lied sangen. Ein Wagen rumpelte die Straße hinunter. Ein junges Pärchen huschte an der Einmündung meiner Gasse vorbei; beide lachten. Es war Nacht in dieser rätselhaften Stadt, aber sie schlief keineswegs. Ich ließ den Blick hoch zu den Gebäuden mit wunderlichen Turmspitzen wandern, und in unglaublicher Höhe sah ich dort in den oberen Stockwerken Lichter brennen. Irgendwo weit entfernt rief ein Mann jemandem etwas zu.
    Das Herz schlug mir bis zum Hals. Was war los mit mir? Ich biss die Zähne zusammen und nahm mir vor, über diesen merkwürdigen Ort so viel herauszufinden wie nur möglich. Nachdem ein weiterer, mit Bierfässern beladener Wagen an meiner Gasse vorbeigerollt war, stieß ich mich von der Mauer ab und trat einen Schritt nach vorne.
    Im selben Augenblick herrschte ringsum wieder vollkommene Stille und schneehelle Dunkelheit. Der Gesang und das Lachen aus dem Wirtshaus waren verstummt; es war kein Mensch mehr auf der Straße. Ich stahl mich vorsichtig zur Straßenecke zurück und spähte in beiden Richtungen die breitere Straße entlang. Nichts. Nur lautlos dahinfallender nasser Schnee. Wenigstens war es hier wärmer als oben in den Bergen. Selbst wenn ich die ganze Nacht im Freien verbringen musste, würde ich nicht allzusehr leiden.
    Dann machte ich mich ernsthaft daran, die Stadt zu erkunden. An jeder Kreuzung wählte ich die breitere Straße und erkannte sehr bald eine gewisse Regelmäßigkeit: Es ging sanft, aber stetig bergab.

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