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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verhielt sich völlig still. Dann hustete sie einmal, als schnürte es ihr die Kehle zu, und es brach plötzlich ein furchtbares Schluchzen aus ihr heraus. Sie weinte laut und rückhaltlos wie ein Kind, das nach einem bösen Sturz nicht nur aufgeschlagene Knie hat, sondern auch Angst. Es waren Tränen, die sich über lange Zeit hinweg in ihr aufgestaut hatten, und deshalb ließ ich sie weinen. Dabei redete ich weiter auf sie ein und streichelte ihren Rücken und hörte selbst kaum auf das, was ich sagte, bis sie sich allmählich beruhigte. Schließlich hörte sie auf zu schluchzen, löste sich von mir und trat einen Schritt zurück, um in ihrer Tasche nach einem Schnupftuch zu suchen. Sie wischte sich Gesicht und Augen trocken und putzte sich die Nase, bevor sie zum Sprechen anhob.
    »Ich werde schon damit fertigwerden«, sagte sie, und zu hören, wie fest sie daran glaubte, tat mir in der Seele weh. »Nur jetzt ist es... ist es schwer. Immer daran zu denken, dass ich ihm diese vielen schlechten Nachrichten bringen muss. Zu wissen, wie sehr es ihn schmerzen wird, all das zu hören. Man hat mich gelehrt, was es heißt, OPFER zu sein, Fitz. Von Anfang an wusste ich, dass mir das Leben vielleicht viel Schweres bringen würde. Ich bin stark genug, um das zu ertragen. Aber niemand hat mich darauf vorbereitet, dass ich lernen könnte, den Mann wirklich zu lieben, den man mir zum Gemahl bestimmt hatte. Meinen Schmerz zu erdulden ist eine Sache. Ihm Schmerz zu bereiten ist eine ganz andere.« Dann brach ihr die Stimme, und ich fürchtete, sie würde wieder anfangen zu weinen, doch als sie mich anschaute, lächelte sie stattdessen. Die Tränen an ihren Wimpern glänzten silbern. »Manchmal glaube ich, nur du und ich sehen den Mann hinter der Krone. Ich will, dass er lacht und glücklich ist, und ich würde so gerne wieder erleben, wie er vergisst, seine Tintenfässer zuzuschrauben, und wie er seine Landkarten überall herumliegen lässt. Ich will, dass er seine Arme um mich legt und mich an sich drückt. Manchmal wünsche ich mir diese Dinge so sehr, dass ich die Roten Schiffe vergesse und Edel und... alles andere. Manchmal denke ich, wenn wir nur wieder vereint wären, würde alles andere auch wieder irgendwie ins Lot kommen. Solche Wünsche geziemen sich nicht für ein OPFER, ich weiß. Es ist selbstsüchtig und...«
    Ein Blinken wie von Mondlicht auf Silber zog meinen Blick an. Über ihre Schulter hinweg sah ich den schwarzen Pfeiler. Er lehnte halb über dem Abgrund und war durch den Bergrutsch, der die Straße weggerissen hatte, seines halben Unterbaus beraubt. Ich hörte nicht, was Kettricken noch sagte. Wie kam es, dass ich ihn erst jetzt richtig bemerkte? Er war wie eine von innen heraus leuchtende, kantige Säule aus schwarzem Stein und durchzogen von glitzernden Kristalladern. Es erschien mir wie Mondlicht auf den gekräuselten Wassern des magischen Stroms. Auf den Flächen waren keinerlei Symbole oder Schriftzeichen zu entdecken. Der Wind heulte hinter mir, als ich die Hand ausstreckte und über den seidenglatten Stein gleiten ließ. Er hieß mich willkommen.

KAPITEL 27
    DIE STADT
    D urch die Berge führt ein alter Handelsweg, der keinen der großen und kleinen Orte des heutigen Bergreichs berührt. Teile dieser vergessenen Fernstraße entdeckt man sogar noch so weit südöstlich wie am Ufer des Blauen Sees. Die Straße hat keinen Namen. Niemand erinnert sich mehr daran, wer sie angelegt hat, und selbst die noch intakten Teilstrecken werden kaum noch benutzt. An manchen Stellen ist sie im Lauf der Jahre durch Frostschäden unpassierbar geworden; woanders haben Überschwemmungen und Erdrutsche ihr Zerstörungswerk vollbracht. Hin und wieder bricht ein unternehmungslustiger Bursche auf, um der Straße bis zu ihrem Ausgangspunkt zu folgen. Sofern solche Abenteurer zurückkehren, haben sie beeindruckende Geschichten zu erzählen, von Ruinenstädten und felsigen Talkesseln, wo Schwefelquellen dampfen, und sie berichten auch von den unwirtlichen Landschaften, die die Straße durchquert. Dort gibt es kein Wild, und die Jagd ist schlecht, sagen sie. Es steht übrigens nirgendwo geschrieben, dass einer von ihnen sich je versucht gefühlt hätte, die Reise zu wiederholen.
     
    Ich stolperte auf dem schneeglatten Pflaster und fiel auf die Knie. Langsam rappelte ich mich wieder auf. Dabei versuchte ich, mich zu erinnern, was geschehen war. Hatte ich mich betrunken? Die Übelkeit und das Schwindelgefühl sprachen dafür, nicht

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