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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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darauf vor, das Wagnis zu unternehmen.
    Doch mein Mut reichte nicht. Ich war kein Veritas. Ich wusste um das Ausmaß seines Gabenpotenzials und hatte gesehen, wie viel Willenskraft es ihn gekostet hatte, der Verlockung zu widerstehen. Ich konnte also nicht hoffen, es ihm gleichzutun. Er hatte allein die Gabenstraße beschritten, während ich... Mein Verstand kehrte mit einem ungeheuren Gedankensprung zu jenem Rätsel zurück: Wann hatte ich die Gabenstraße und meine Gefährten verlassen? Vielleicht nie. Vielleicht war dies alles ja nur ein Traum? Ich grub mir die Fingernägel in die Wangen, bis es schmerzte. Doch das bewies überhaupt nichts, außer dass ich mich fragte, ob es möglich war, Schmerz zu träumen. Diese gespenstische Stadt hielt keine Antworten für mich bereit, nur immer neue Fragen.
    Entschlossen lenkte ich meine Schritte wieder dorthin, woher ich gekommen war. Die Sicht ließ zu wünschen übrig, und der pappige Schnee hatte meine Spuren bereits bedeckt. Widerstrebend legte ich die Fingerspitzen an eine Mauer. Auf diese Art war es einfacher, den Rückweg zu finden, denn die lebendige Geisterstadt verfügte über mehr markante Punkte als ihr totes, vom Zahn der Zeit blankgenagtes Gerippe. Während ich durch die verschneiten Straßen eilte, machte ich mir Gedanken darüber, wann all diese Menschen hier gelebt hatten. War ich Zeuge geworden von Ereignissen einer Nacht vor hundert Jahren? Wäre ich in einer anderen Nacht hergekommen, würde ich dann eine Wiederholung derselben Ereignisse sehen oder eine andere Nacht aus der Vergangenheit der Stadt? Lebten diese Gespenster und Gespinste womöglich ihr eigenes Leben, während ich nur ein befremdlicher, kalter Schatten war, der durch ihren Alltag spukte? Doch weshalb zerbrach ich mir sinnlos den Kopf über Rätsel, die wohl auf ewig ungelöst bleiben würden. Ich musste den Weg zurück zu dem offenen Platz und seinem Monument finden.
    Entweder hatte ich mir doch nicht genügend Orientierungspunkte eingeprägt, oder ich hatte irgendwo die falsche Abzweigung genommen. Es blieb sich gleich, denn ich fand mich in einer völlig fremden Gasse wieder. Im Gehen ließ ich die Fingerspitzen an den Häuserfassaden entlangstreifen. Es waren Geschäfte, alle waren sie für die Nacht verschlossen und verriegelt. Dort zwei Liebende in zärtlicher Umarmung in einem Torweg. Hier ein Geisterhund, der an mir vorbeitrottete, ohne mich auch nur kurz zu beschnüffeln.
    Trotz der milden Temperaturen begann ich allmählich zu frieren, und außerdem war ich müde. Ich schaute zum Himmel. Es musste bald dämmern. Bei Tageslicht konnte ich vielleicht auf das Dach eines der Gebäude steigen und mir einen Überblick über die Gegend verschaffen. und vielleicht wusste ich beim Aufwachen wieder, wie ich hierhergelangt war. Aus lauter Dummheit hielt ich nach einem vorkragenden Sims oder einem Schuppen Ausschau, wo ich unterschlüpfen konnte, bis mir dann einfiel, dass mich ja nichts daran hinderte, eins der Häuser zu betreten. Trotzdem beschlich mich ein seltsames Gefühl, als ich mir eine Tür aussuchte und hindurchging. Solange ich eine Wand berührte, sah ich schattenhaft die Einrichtung des Raums. Auf Tischen und Regalen standen Gläser und feines Porzellan. Eine Katze schlief vor einem Herdfeuer. Wenn ich die Hand wegnahm, war es kalt und stockdunkel. Also strich ich mit den Fingern an den Kristallen der Wand entlang und wäre dabei beinahe über die vermoderten Trümmer eines der Tische gestolpert. Ich bückte mich, tastete nach den Bruchstücken, sammelte sie auf und trug sie zum Kamin. Mit großer Mühe brachte ich schließlich dort ein Feuer in Gang, wo das Feuer im Geisterherd bereits glühte.
    Als die Flammen schließlich ordentlich hochschlugen und ich davorstand, um mich zu wärmen, zeigte mir der flackernde Schein die trostlose Wirklichkeit des Zimmers. Nackte Wände, ein von Schutt übersäter Fußboden. Keine Spur von Porzellan und Kristall, allerdings noch einige Bretter von längst zusammengestürzten Regalen. Zu meinem Glück hatte der Ladenbesitzer seine Einrichtung aus gutem Eichenholz zimmern lassen, andernfalls wären sie schon längst verrottet gewesen. Ich beschloss, meinen Mantel auf dem Boden auszubreiten, um die Kälte der Steinplatten abzuhalten, und darauf zu vertrauen, dass das Feuer mich im Übrigen ausreichend wärmte. Müde legte ich mich hin, schloss die Augen und verdrängte die Vorstellung von geisterhaften Katzen und den wahrscheinlich im Stockwerk

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