Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Erde, als hätte irgendein Riese dort seinen Keil hineingetrieben. Der Fluss war hineingeströmt und füllte ihn vollkommen aus. Es war wie eine glitzernde Wasserzunge, die in die Stadt vordrang. Letzte Reste von Gebäuden säumten das Ufer, und am Rand des Wassers endeten die Straßen, als habe man sie abgeschnitten. Meine Augen folgten dieser grausamen Wunde. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich erkennen, dass der Riss sich über das jenseitige Ufer des Flusses hinaus erstreckte. Ich fragte mich, ob wohl ein heftiges Erdbeben dieser Stadt den Todesstoß versetzt hatte, und gab mir mit einem Kopfschütteln sogleich selbst die Antwort. Nein. Die tragischen Geschehnisse hatten nur einen verhältnismäßig kleinen Bezirk direkt getroffen. Ohne Zweifel war es für alle eine schreckliche Katastrophe gewesen, doch sie erklärte nicht den radikalen Exodus der gesamten Stadtbevölkerung.
    Langsam ging ich zur Nordseite des Turms. Hier breitete sich tief unter meinen Füßen die Stadt aus; dahinter sah ich Weingärten und Kornfelder. Und wiederum dahinter ein Waldgebiet, das von der Straße durchschnitten wurde. In weiter Ferne, sicher mehrere Tagesritte entfernt, erhob sich das Gebirge. Von dorther musste ich gekommen sein, doch von meiner seltsamen Reise hierher war mir nichts im Gedächtnis geblieben.
    Ich lehnte mich gegen die Mauer und fragte mich, was ich nun tun sollte. Wenn sich Veritas irgendwo in dieser Stadt aufhielt, so spürte ich zumindest nichts von seiner Anwesenheit. Ich wünschte mir, ich könnte mich daran erinnern, weshalb und wann genau ich mich von meinen Gefährten getrennt hatte. Komm zu mir, komm zu mir, raunte es weiter in meinem Blut. Gleichzeitig nahm mich eine überwältigende Trostlosigkeit in Besitz. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle zum Sterben hingelegt. Ich redete mir ein, es seien die Nachwirkungen der Elfenrinde, doch weshalb sollte ich mir noch etwas vormachen: Es war schlicht die Niedergeschlagenheit angesichts meines andauernden Scheiterns. Dann trieb mich der eisige Wind des Winters endlich zurück in das Turmgemach.
    Als ich durch das zerbrochene Fenster ins Innere trat, geriet ein rundes Holz unter meinem Fuß ins Rollen und brachte mich beinahe zu Fall. Ich richtete den Blick auf den Boden und wunderte mich, dass mir das nicht früher aufgefallen war: Hier lagen genau unter dem Fenster die Überreste eines kleinen Feuers. Ruß haftete an den Scherben, die im Seitenrahmen steckengeblieben waren. Ich strich vorsichtig darüber, und mein Finger wurde schwarz. Der Ruß war nicht frisch, aber auch nicht älter als ein paar Monate, sonst hätten Regen und Schnee längst das meiste davon abgewaschen. Ich trat einen Schritt zurück und zwang meinen müden Verstand, über all das nachzudenken. In den Resten des Feuers lagen verkohltes Holz, das nach Zweigen von Bäumen oder Sträuchern aussah. Jemand hatte also kleine Zweige von ganz unten hierher- und heraufgebracht, um dieses Feuer zu entzünden. Doch weshalb? Warum nicht die Trümmer des Tisches dazu nehmen? Und weshalb so hoch hinaufsteigen, um ein Feuer zu machen? Doch wohl nicht wegen der Aussicht!?
    Ich setzte mich auf den Boden und versuchte, über all das nachzudenken. Als ich dabei den Rücken gegen die Mauer lehnte, erhielten die diskutierenden Geistererscheinungen um den Tisch mehr Substanz. Einer schrie sein Gegenüber an und zog dann mit seinem Stock eine imaginäre Linie über den zerbrochenen Tisch. Eine der Frauen verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine verbissene Miene auf, während die andere rechthaberisch lächelnd mit ihrem eigenen Stock einen Punkt auf der Tischplatte antippte. Über meine unglaubliche Begriffsstutzigkeit fluchend, sprang ich auf und nahm die auf dem Boden liegenden Trümmer näher in Augenschein.
    In der Sekunde, als mir aufging, dass es sich dabei um Teile einer Landschaftsdarstellung handelte, wusste ich, dass Veritas das Feuer hier entzündet hatte. Natürlich! - Ein Turm mit hohen Fenstern, der einen weiten, ungehinderten Ausblick über die Stadt und ihre Umgebung bot, und in der Mitte dieses Raumes ein großer Tisch mit der ungewöhnlichsten Landkarte, die ich je zu Gesicht bekommen hatte. Sie war nicht auf Pergament gezeichnet, sondern man hatte mit akribischer Sorgfalt aus Lehm und anderen Materialien nachgebildet, was das Auge von hier aus sehen konnte. Als der Tisch zusammengebrochen war, war natürlich auch das Modell beschädigt worden; doch ich konnte unter all dem

Weitere Kostenlose Bücher