Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
vielleicht erholt haben. Möglicherweise hat ihm die Zeit der Enthaltsamkeit zum Wiedererstarken der Gabe verholfen - und bei dir scheint es ähnlich. Auf jeden Fall scheint er fähig gewesen zu sein, dem Einfluss der Straße zu widerstehen.« Sie seufzte. »Doch ich nehme an, diese anderen haben niemals Elfenrinde genommen, und ihr Potenzial und ihr Wissen um die Möglichkeiten der Anwendung der Gabe haben sich um einiges weiterentwickelt und dein natürliches Talent überflügelt. Nun stehst du vor einer Wahl, Fitz, und nur du kannst sie treffen. Der Narr hat durch das Mittel nichts zu verlieren. Er besitzt die Gabe nicht, und Elfenrinde kann wohl verhindern helfen, dass der Zirkel ihn wieder aufspürt. Aber was dich betrifft... Ich kann sie dir geben, und sie wird durchaus dabei helfen, die Gabe in dir weiter abzustumpfen. Ihnen wird es dadurch schwerfallen, dich zu erreichen, aber für dich wird es auch schwerer hinauszugreifen. Möglicherweise bist du dadurch geschützt, aber du versündigst dich erneut an deinem Talent. Eine bestimmte Menge Elfenrinde genügt, um es unwiderruflich auszumerzen. Die Entscheidung liegt bei dir allein.«
Ich schaute auf meine Hände und dann zu dem Narren. Wieder trafen sich unsere Blicke. Zaghaft tastete ich mit der Gabe zu ihm hin. Nichts. Vielleicht war es nur mein unzuverlässiges Talent, das mir einen Streich spielte, doch wahrscheinlicher war, dass Krähe Recht hatte; durch die Elfenrinde, die der Narr eben getrunken hatte, war er für mich nicht mehr zu erreichen.
Während Krähe sprach, hatte sie den Topf vom Feuer genommen. Der Narr streckte ihr wortlos den Becher hin. Sie krümelte etwas von der Rinde hinein und goss kochendes Wasser darauf. Dann richtete sie erwartungsvoll den Blick auf mich. Ich schaute in die mir zugewandten Gesichter, doch in keinem fand ich Hilfe. Ich nahm einen Becher von dem Geschirrstapel. Damit gleichzeitig fiel ein Schatten über Krähes Züge, und ihre Lippen wurden schmal; aber sie griff wortlos in den Beutel und tastete mit den Fingern bedächtig bis zum Grund, wo die Rindenstücke sich fast schon zu reinem Pulver zerrieben hatten. Ich schaute grübelnd in den leeren Becher; dann wandte ich meinen Blick zu Krähe. »Du hast gesagt, die Gabenattacke könnte sie vernichtet haben?«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Wir sollten uns nicht darauf verlassen.«
Es gab nichts, worauf ich mich verlassen konnte. Nichts war sicher.
Dann stellte ich den Becher einfach hin und kroch zu den Decken meines Nachtlagers. Auf einmal war ich unendlich müde - und von Angst erfüllt. Ich wusste: Will war irgendwo dort draußen und suchte mich. Selbst wenn ich mich hinter der Elfenrinde verstecken konnte, hatte ich nicht die Gewissheit, dass es genügen würde, um ihn fernzuhalten. Möglicherweise untergrub sie nur meine ohnehin geschwächten Schutzwehren. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich in dieser Nacht würde kein Auge zutun können. »Ich übernehme die Wache«, sagte ich entschieden und stand auf.
»Er sollte nicht allein da draußen sein«, sagte Krähe unwirsch.
»Sein Wolf wacht mit ihm«, erklärte Kettricken zuversichtlich. »Er kann Fitz gegen diesen falschen Zirkel schützen wie niemand sonst.«
Ich fragte mich, woher sie das wusste. Ich griff wortlos nach meinem Mantel und ging hinaus. Dort saß ich an dem herunterbrennenden Feuer, wachte über alles und wartete doch wie ein Verurteilter auf den Morgen.
KAPITEL 32
KAPELAN
D er Alten Macht haftet ein schlechter Ruf an. In manchen Gegenden betrachtet man sie als Abartigkeit und erzählt sich Greuelmärchen von jenen, die Verkehr mit Tieren haben, um sich diese Magie anzueignen, oder sich gar mit dem Blut von Kindern die Fähigkeit erkaufen, die Sprache der Vögel und der wilden Tiere zu verstehen. Manche Geschichtenerzähler sprechen gar von einem Handel mit den alten Dämonen der Erde. Ich für meinen Teil bin der Ansicht, dass es sich bei der Alten Macht um eine vollkommen natürliche Magie handelt. Diese Macht ist es, die einen Vogelschwarm im Flug umschwenken lässt wie auf Kommando, oder die bewirkt, dass eine Gruppe von Sälmlingen in einem schnellfließenden Gewässer dicht zusammen an einem Platz verharrt. Es ist auch die Alte Macht, die eine Mutter an das Bettchen ihres Kindes eilen lässt, das soeben erwachen will. Ich glaube, dass sie die Quelle aller wortlosen Verständigung ist und dass alle Menschen eine gewisse Veranlagung dafür besitzen, ob bewusst oder
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