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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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unbewusst.
     
    Am nächsten Tag erreichten wir erneut die Gabenstraße. Als wir an dem Steinpfeiler vorbeikamen, fühlte ich mich davon angezogen. »Veritas ist für mich vielleicht nur einen Schritt entfernt«, bemerkte ich nachdenklich.
    Krähe schnaufte. »Oder dein Tod. Hast du vollkommen den Verstand verloren? Glaubst du, ein einzelner Gabenkundiger könnte es mit einem ausgebildeten Zirkel aufnehmen?«
    »Veritas hat es gekonnt«, erwiderte ich und dachte an Burg Fierant, wo er mich gerettet hatte. Den Rest des Vormittags ging sie schweigend und in Gedanken versunken neben mir her.
    Ich meinerseits unternahm ebenfalls keinen Versuch, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, denn ich hatte meine eigene Last zu tragen. Mich peinigte das vage Bewusstsein, etwas verloren zu haben, - und dies war ähnlich dem Gefühl, wenn man weiß, man hat etwas vergessen, kann sich aber nicht erinnern, was. Ich hatte irgendetwas zurückgelassen. Oder hatte ich etwas nicht erledigt, etwas Wichtiges, das keinen Aufschub duldete. Am späten Nachmittag fiel es mir dann wieder ein.
    Veritas.
    Solange ich ihn in mir getragen hatte, war ich mir selten seiner Anwesenheit gewiss gewesen. Er war wie ein verborgenes Samenkorn, das darauf wartete, sich zu entfalten. Doch die vielen Male, in denen ich nach ihm gesucht und ihn nicht in mir gefunden hatte, waren plötzlich bedeutungslos. Denn daran bestand kein Zweifel mehr, darin herrschte keine Ungewissheit mehr, es war vielmehr eine wachsende Überzeugung: Seit über einem Jahr hatte Veritas mich begleitet, doch nun war er fort.
    Bedeutete das, er war tot? Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Diese ungeheure Woge der Gabe, die ich gespürt hatte; das konnte er durchaus gewesen sein. Oder war etwas geschehen, das ihn gezwungen hatte, sich von allem abzukapseln? Andererseits hatte seine Abwesenheit vielleicht auch nicht viel zu bedeuten. Es kam einem Wunder gleich, dass er überhaupt so lange bei mir geblieben war. Mehrmals stand ich dicht davor, zu Krähe oder Kettricken darüber zu sprechen, aber dann tat ich es doch nicht. Was sollte ich ihnen auch sagen: Schon vorher wusste ich nie genau, ob Veritas bei mir war, und nun kann ich ihn gar nicht mehr fühlen? Nachts, am Feuer, betrachtete ich Kettrickens verhärmtes Gesicht und fragte mich, welchen Nutzen es hatte, ihren Kummer noch zu vergrößern. Also behielt ich meine unguten Ahnungen für mich und schwieg.
    Rückblickend scheinen die darauffolgenden und länger währenden Strapazen mit der schlichten Monotonie der Tage zu verschmelzen. Das Wetter war geprägt von Regenschauern und böigem Wind. Unsere Vorräte waren bedrohlich zusammengeschrumpft, und die Pflanzen, die wir unterwegs pflückten sowie das Wild, das Nachtauge und ich je nach Jagdglück beisteuerten, wurden für uns überlebenswichtig. Ich ging neben der Straße her; doch war ich mir ständig ihrer murmelnden Gabenstimme bewusst, als bewegte ich mich am Ufer eines leise vorbeirauschenden Flusses. Der Narr wurde reichlich mit Elfenrindentee dosiert und legte schon bald die grenzenlose Energie an den Tag, die Elfenrinde zwar sicher verleiht, die aber leider auch verbunden ist mit einer düsteren Weltuntergangsstimmung - das war eine der charakteristischen, allerdings unerwünschten Nebenwirkungen der Droge. Bei dem Narren manifestierte sich das eine in seiner permanenten Unruhe, das andere in seinem ätzenden Wortwitz und endlosen Sprüchen. Gar zu oft verspottete er die Vergeblichkeit unserer Suche, und auf jede aufmunternde Bemerkung reagierte er schroff und mit scharfem Zynismus. Er führte sich auf wie ein freches, ungezogenes Gör, hörte auf keine Zurechtweisung, auch nicht, wenn sie von Kettricken kam, und er vergaß vor allem, dass Schweigen auch eine Tugend sein kann. Egal ob man ihn anbrüllte oder ihm gut zuredete, er war nicht zu bändigen. Er brachte mich so weit, dass ich davon träumte, ihn am liebsten zu erwürgen, und ich bin mir sicher, den anderen erging es nicht anders.
    Zum Glück besserte sich schließlich das Wetter. Die Regenschauer ließen nach und wurden schwächer; an den Laubbäumen längs der Straße entfalteten sich die grünen Blätter, und auch die Hügel ringsum kleideten sich buchstäblichen über Nacht in frisches Grün. Es gab für uns nun reichlich Niederwild, und auch die Jeppas kamen bei dem guten Futter rasch wieder zu Kräften. Der aus unseren nächtlichen Jagdausflügen resultierende Mangel an Schlaf forderte seinen Tribut von mir,

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