Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
auch nichts daran, dass sie alle Tage neue Interessen entdeckte, denen sie sich mit ausschließlicher Begeisterung widmete, ohne je lange bei einer Sache bleiben zu können.
Ihr Eltern starben bald nach der Vermählung, im Jahr der Blutpest, und sie war kinderlos und galt als unfruchtbar, als ihr Gemahl Chivalric bei einem Sturz vom Pferd zu Tode kam.
Ich wachte auf. Oder vielmehr, ich kam wieder zu mir. Ich lag umhüllt von Wärme und Weichheit in meinem Bett. Ohne mich zu rühren, versuchte ich festzustellen, wie es mir ging. Mein Kopf tat nicht mehr weh, aber ich fühlte mich müde und zerschlagen, wie es manchmal der Fall ist, nachdem Schmerzen abgeklungen sind. Ein Frösteln lief mir über den Rücken. Molly lag nackt neben mir, der Hauch ihres Atems strich warm über meine Schulter. Es war entweder sehr spät oder sehr früh. In der Burg schien alles zu schlafen.
Ich konnte mich nicht mehr da ran erinnern, wie ich in mein Bett gekommen war.
Molly erwachte. Sie schmiegte sich enger an mich und lächelte verschlafen. »Du bist manch mal so seltsam«, murmelte sie. »Aber ich liebe dich.« Dann fielen ihr die Augen wieder zu.
Nachtauge!
Ich bin hier. Er war immer da.
Plötzlich konnte ich keine Fragen mehr stellen, wollte ich auch nichts mehr von allem wissen. Ich lag still und fühlte mich elend, traurig und hatte Mitleid mit mir selbst.
Ich habe versucht, dich zu wecken, aber du warst noch nicht wieder stark genug, um zurückzukommen. Dieser Andere hatte dir die Kraft genommen.
Dieser ›Andere‹ ist unser König.
Dein König. Wölfe haben keine Könige.
Was hat … Ich ließ den Gedanken unvollendet. Danke, dass du über mich gewacht hast.
Er spürte meinen Vorbehalt. Was hätte ich tun sollen? Sie wegschicken? Sie war traurig.
Ich weiß nicht. Sprechen wir nicht darüber. Molly war traurig, und er hatte sie getröstet. Ich wusste nicht einmal, aus welchem Grund sie traurig war. Oder gewesen war, berichtigte ich mich, als ich das selige Lächeln auf ihrem schlafenden Gesicht bemerkte. Ich seufzte. Warum das Unvermeidliche hinausschieben. Außerdem musste ich sie in ihr eigenes Zimmer zurückschicken. Sie durfte nicht mehr hier sein, wenn die Burg zum Leben erwachte.
»Molly?«
Sie regte sich und schlug die Augen auf. »Fitz?«
»Es tut mir leid, aber ich muss dich wegschicken?«
»Ich weiß. Ich hätte gar nicht kommen dürfen.« Sie stockte. »Was ich vor ein paar Tagen zu dir gesagt habe …«
Ich legte ihr einen Finger auf die Lippen. Sie lächelte da ran vorbei. »Du machst dieses neue Schweigen … äußerst lohnend.« Sie schob meine Hand zur Seite und küsste mich liebevoll, dann schlüpfte sie aus dem Bett und kleidete sich rasch an. Ich erhob mich langsamer. Sie schaute mich an, ihr Blick war liebevoll. »Ich gehe allein, es ist Sicherer. Man sollte uns nicht zusammen sehen.«
»Eines Tages …«, begann ich. Diesmal war sie es, die mir den Finger auf den Mund legte.
»Davon wollen wir jetzt nicht reden. Lassen wir die heutige Nacht, wie sie ist. Vollkommen.« Sie gab mir noch einen raschen Kuss, glitt aus meinen Armen und dann aus der Tür. Vollkommen?
Ich kleidete mich fertig an und schürte das Feuer. In meinem Sessel beim Kamin wartete ich, musste aber nicht lange warten. Die Tür zu Chades Reich öffnete sich. Obwohl ich mich immer noch schwach fühlte, beeilte ich mich auf der Treppe, und oben angekommen, verschwendete ich keine Zeit mit einer Begrüßung. »Du musst mir zuhören«, sagte ich atemlos.
Chade saß wie ich eben zuvor am brennenden Kamin und hob bei dem drängenden Ton in meiner Stimme die Augenbrauen. Er wies auf den zweiten Stuhl ihm gegenüber. Ich setzte mich und öffnete den Mund, um weiterzusprechen. Was Chade dann tat, jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. Er schaute sich nach allen Seiten um, als befänden wir uns in mitten einer großen Menschenmenge, danach legte er den Finger an die Lippen und beugte sich vor, bis unsere Köpfe sich fast berührten. »Leise, leise. Was gibt es?«
Das war etwas, womit ich nie und nimmer gerechnet hätte. Von allen Räumen, Ecken und Winkeln in Bocksburg hätte ich niemals geglaubt, ausgerechnet hier Lauscher befürchten zu müssen.
»Nun?« Chade sah mich fragend an.
Ich erzählte ihm alles und ließ dabei nichts aus. Auch meine Verbindung mit Veritas gab ich preis, da mit die Geschichte verständlich wurde. Ich erzählte von dem Überfall auf den Narren, von Kettrickens Geschenk an Bearns, dass ich dem
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