Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
habe ich ihm geantwortet. Ich habe nicht den Wunsch, den Thron zu beanspruchen, Chade, ich will ihn für den Erben der Weitseher bewahren.«
»Das weiß ich«, sagte er kurz. »Andernfalls ginge ich auf der Stelle zu König Listenreich mit diesem … diesem Wahnsinn. Ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll. Man kann es nicht als Hochverrat bezeichnen und doch …«
»Nie würde ich meinen König verraten«, sagte ich mit ruhigem Nachdruck.
»Nein? Dann lass mich dir diese eine Frage stellen. Sollten trotz oder - El bewahre! - wegen unserer Bemühungen, Listenreich und Kettricken zu retten, sie beide den Tod finden und Veritas nie zurückkehren. Was dann? Wärst du immer noch so selbstverständlich bereit, herabzusteigen, um den Thron dem recht mäßigen König zu übergeben?«
»Edel?«
»Der Erbfolgeordnung gemäß, ja.«
»Er ist kein König, Chade. Er ist ein verwöhntes Prinzlein und wird es immer bleiben. Ich habe ebenso viel Weitseherblut wie er.«
»Dasselbe könntest du von Kettrickens Kind sagen, wenn die Zeit käme. Siehst du, welch gefahrvollen Pfad wir beschreiten, wenn wir uns über unseren angestammten Platz erheben? Du und ich, wir haben dem Geschlecht der Weitseher Treue geschworen, von dem wir nur zufällige Seitentriebe sind. Nicht allein König Listenreich oder nur einem weisen König geschworen, sondern jedem rechtmäßigen Herrscher aus diesem Hause. Selbst wenn es Edel wäre.«
»Du würdest Edel dienen?«
»Ich habe mehr als einen törichten Prinzen mit den Jahren zu Verstand kommen sehen. Der andere Weg führt über kurz oder lang zum Bürgerkrieg. Farrow und Tilth …«
»Sind nicht daran interessiert, Krieg zu führen. Sie wollen allen Schaden abwenden und die Küstenprovinzen sich selbst überlassen. Edel hat es oft genug betont.«
»Und vielleicht glaubt er sogar daran. Aber wenn er feststellt, dass er keine kostbare Seide mehr kaufen kann und dass die Weine aus Bingtown und den Ländern dahinter nicht mehr den Bocksfluss heraufkommen, um seinem Gaumen zu schmeicheln, wird er sich eines anderen besinnen. Er braucht seine Hafenstädte, und er wird zurückkommen, um sie sich zu holen.«
»Was sollen wir also tun? Was hätte ich tun sollen?«
Chade setzte sich mir gegenüber hin und faltete die narbigen Hände zwischen den spitzen Knien. »Ich weiß es nicht. Brawndy muss wirklich verzweifelt sein. Wenn du dich strikt geweigert und ihn des Verrats beschuldigt hättest - nun, ich will ihm nichts unterstellen. Aber du erinnerst dich, dass er keine Skrupel hatte, sich Virago prompt vom Hals zu schaffen, als sie für ihn zur Bedrohung wurde. Das alles ist zu viel für einen alten Assassinen. Wir brauchen einen König.«
»Ja.«
»Kannst du noch einmal Verbindung mit Veritas aufnehmen?«
»Es wäre zu gefährlich. Ich weiß nicht, wie ich mich gegen Serene und Justin abschirmen soll. Oder gegen Will.« Ich seufzte. »Trotzdem, ich werde es versuchen. Veritas wird es merken, wenn sie sich an meine Gabe angehängt haben.« Etwas anderes fiel mir ein. »Chade, morgen Nacht, wenn du Kettricken holst, musst du einen Augenblick Zeit finden, um ihr zu erklären, was geschehen ist, und sie meiner Loyalität zu versichern.«
»Oh, das wären ja genau die beruhigenden Nachrichten, um ihr die Flucht und die Mühsal der Reise doppelt so schwer zu machen. Nein. Nicht morgen Nacht. Ich werde dafür sorgen, dass sie alles erfährt, sobald sie in Sicherheit ist. Und du musst weiter versuchen, Veritas zu erreichen, aber pass auf, dass man euch nicht belauscht. Bist du sicher, dass sie nichts von unseren Plänen wissen?«
»Ziemlich sicher. Ich habe Veritas gleich zu Anfang davon erzählt, und erst später sagte er dann, dass jemand versuchte, uns zu belauschen.«
»Wahrscheinlich hättest du Justin töten sollen«, brummte Chade vor sich hin, dann lachte er über meinen entrüsteten Gesichtsausdruck. »Nein, nein, schon gut. Ich will dich nicht dafür tadeln, dass du ihn geschont hast. Wärst du doch nur ebenso umsichtig gewesen, als Brawndy dir sein Angebot unterbreitete. Schon ein Hauch davon würde Edel genügen, um dich an den Galgen zu bringen, und wäre er ruchlos und unvernünftig genug, könnte er überdies versuchen, auch seine Herzöge aufzuknüpfen. Nein, denken wir nicht einmal daran! In den Sälen von Bocksburg würde das Blut in Strömen fließen, bevor es dazu käme. Besser wäre es gewesen, du hättest eine Möglichkeit dazu gefunden, dem Gespräch eine andere Wendung zu
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