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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Flattern der bunten Wimpel. Und der Gescheckte Hengst lief schnell und trug sie weit voraus und aus der Sichtweite ihres Gefolges. Zu guter Letzt, im fernen Tal und unter den grünen Bäumen, trug er sie hierhin und dorthin, bis sie nicht mehr wusste, wo sie war, und das Geläut der Hunde nur noch als schwacher Widerhall irgendwo zwischen den Hügeln erklang. An einem Bach stieg sie ab, um von dem kühlen Wasser zu trinken, aber o weh, als sie sich umdrehte, war der Gescheckte Hengst verschwunden, und an seiner Stelle stand plötzlich Trug, jener, der über die alte Macht gebot und der ebenso gefleckt wie sein Brudertier erschien. Dann war er bei ihr, wie der Hengst bei der Stute ist, und ehe das Jahr sich wendete, kam die Zeit, dass sie ein Kind gebar. Und als jene, die in ihrer schweren Stunde bei ihr waren, das Kindlein sahen, über und über gefleckt an Gesicht und Schultern, erhoben sie vor Angst ein großes Wehklagen. Als aber Prinzessin Eigensinn des Knaben ansichtig wurde, tat sie einen furchtbaren Schrei und hauchte vor Scham ihr Leben aus, weil sie Trugs unreine Frucht in ihrem Leib getragen hatte. So wurde der Gescheckte Prinz in Angst und Scham geboren, und Angst und Scham waren die zwei Dinge, die er mit in die Welt brachte.
     
    DIE SAGE VON DEM GESCHECKTEN PRINZEN
     
    Die Fackel, die Edel zurückgelassen hatte, brachte den Schatten der Gitterstäbe zum Tanzen. Ich beobachtete das Schattenspiel eine Weile in dumpfer Hoffnungslosigkeit. Die Gewissheit, dass ich sterben musste, lähmte mich. Nach und nach Begann mein Verstand wieder zu arbeiten, aber er funktionierte nur zu unkontrolliert und sprunghaft. Hatte mir Chade das sagen wollen? ›Ohne ihr Pferd‹ - hatte Edel über die Pferde Bescheid gewusst? Kannte er das Ziel der Flucht? Wie war Burrich der Entdeckung entgangen? Gab es vielleicht ein Wiedersehen in der Folterkammer? Hegte Edel womöglich den Verdacht, auch Philia hätte in den Fluchtplan eingeweiht sein können? Und wenn ja, würde er sich damit zufriedengeben, sie hier ihrem Schicksal zu überlassen, oder würde er sie bestrafen? Wenn sie kamen, um mich zu holen, sollte ich mich wehren?
    Nein, ich würde aufrecht und stolz mit ihnen gehen. Nein, ich würde so viele von diesen Hunden aus dem Binnenland töten, wie ich nur konnte, mit meinen bloßen Händen. Nein, ich würde Haltung bewahren und auf eine Gelegenheit warten, um mich auf Edel zu stürzen. Ich wusste, er würde da sein, um mich sterben zu sehen. Was war mit meinem Versprechen, das ich Listenreich gegeben hatte, keinen Spross seines Blutes zu töten? Ich fühlte mich nicht mehr daran gebunden. Oder doch? Rettung war von keiner Seite zu erwarten. Gar nicht daran denken, ob Chade etwas unternehmen konnte, ob Philia etwas auszurichten vermochte. Und sobald Edel mein Geständnis hatte, würde er mich am Leben halten, um mich öffentlich zu hängen und zu vierteilen? Aber selbstverständlich, denn weshalb sollte er sich dieser kleinen Freude entsagen? Würde Philia kommen, um mich sterben zu sehen? Ich hoffte nicht. Vielleicht gelang es Lacey, sie daran zu hindern. Ich hatte mein Leben weggeworfen und für nichts geopfert. Wenigstens Justin und Serene hatte ich getötet. War es das wert gewesen? War Kettricken geflohen, oder verbarg sie sich immer noch irgendwo innerhalb der Mauern dieser Burg? Hatte Chade mir das sagen wollen? Nein. Mein Verstand ruderte und wühlte durch den Gedankenwust wie eine Ratte in einem Regenfass. Wenn ich nur mit jemandem sprechen könnte, mit irgendjemandem. Ich zwang die in mir aufsteigende Panik nieder, wurde wieder ruhiger und vernünftiger und fand endlich einen Anhaltspunkt. Nachtauge. Er war am verabredeten Ort gewesen und hatte sie zu Burrich geführt.
    Mein Bruder? Ich spürte nach ihm.
    Ich bin hier. Ich bin immer hier.
    Erzähl mir von jener Nacht.
    Welcher Nacht?
    Die Nacht, in der du die Menschen aus der Burg zum Herzen des Rudels geführt hast.
    Ah. Ich merkte, wie er sich bemühte. Er sah die Dinge nach Wolfsart. Getan war getan. Er plante nicht weiter voraus als bis zur nächsten Beute, erinnerte sich an so gut wie nichts, was vor einem Monat oder einem Jahr geschehen war, außer es betraf unmittelbar sein eigenes Überleben. Deshalb erinnerte er sich auch noch an den Käfig, aus dem ich ihn gerettet hatte, doch wo er vor vier Nächten gejagt hatte, das war vergessen. Desgleichen blieben nur die größeren Dinge in seinem Gedächtnis haften: ein ertragreicher Kaninchenpfad, eine Quelle,

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