Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
brauchte eine Weile, um zu begreifen. »Er hätte mich vergiften können.«
»Aber hat er nicht. Diesmal nicht. Nein, weder ich noch der Narr haben für dein leibliches Wohl gesorgt. Lacey war es. Da hast du jemanden, hinter dem sich mehr verbirgt, als man ahnt. Der Narr hat dich in deinem todesähnlichen Schlaf entdeckt, und etwas hat ihn geritten, Philia davon zu erzählen. Während sie herumflatterte, nahm Lacey stillschweigend die Dinge in die Hand. Ich glaube, insgeheim hält sie dich für genauso zerstreut wie ihre Herrin. Gib ihr die kleinste Gelegenheit, und sie wird dich gnadenlos bemuttern. So gut sie es auch meint, das darf nicht geschehen, Fitz. Ein Assassine muss seine Geheimnisse wahren. Lass einen Riegel an deiner Tür anbringen.«
»Fitz?«, fragte ich verwundert.
»Dein Name. FitzChivalric. Da er dir nicht mehr so gegen den Strich zu gehen scheint, nehme ich mir die Freiheit, ihn zu benutzen. ›Junge‹ will mir nicht mehr so recht über die Lippen.«
Ich nickte, und wir unterhielten uns über andere Dinge. Ungefähr eine Stunde vor Tagesanbruch kehrte ich aus seinem fensterlosen Gemach in mein eigenes zurück. Ich legte mich wieder ins Bett, doch schlafen konnte ich nicht. Der Groll über meine Stellung bei Hofe war immer schwerer zu unterdrücken je älter ich wurde - und ließ mich keine Ruhe finden. Ich warf die Decken ab, schlüpfte in meine alten, viel zu kleinen Kleider, verließ den Palast und ging hinunter nach Burgstadt.
Der raue Wind vom Meer schlug mir wie ein feuchter Lappen ins Gesicht. Ich wickelte mich fester in meinen Umhang und zog die Kapuze über den Kopf. Der steile Weg war stellenweise gefroren und rutschig. Trotzdem schritt ich weit aus und versuchte, nicht zu denken, aber ich merkte, dass das rascher kreisende Blut, statt meinen Körper zu wärmen, meinen Zorn schürte. Meine Gedanken tänzelten wie ein am kurzen Zügel gehaltenes Pferd.
Als ich seinerzeit zum ersten Mal nach Burgstadt kam, ein kleiner Junge im Sattel hinter Burrich, war es ein geschäftiger, schmuddeliger kleiner Ort gewesen. In den letzten zehn Jahren war es ständig gewachsen und hatte sich mit seinen neuen Fassaden zu einer kleinen Stadt herausgebildet, aber der dörfliche Ursprung ließ sich nach wie vor nicht verleugnen.
Die Häuser zogen sich die steilen Klippen hinunter bis zum felsigen Ufer; aus Raumnot hatte man Schuppen und Warenlager auf Pfählen ins Wasser hinausgebaut. Der geschützte tiefe Hafen zog Handelsschiffe und Kaufleute an. Nach Norden hin zeigte sich die Küste von einer sanfteren Seite, dort mündete der Bocksfluss ins Meer, auf dem Waren bis tief ins Landesinnere verschifft wurden, aber die Mündungsebene war hochwassergefährdet und der Ankergrund unsicher, da der Fluss oftmals seinen Lauf änderte. Infolgedessen hatte sich der Ort in dieser Richtung nicht weiter ausgedehnt. Die Häuser, Läden und Tavernen klebten dicht an dicht an den Hängen, ähnlich einer Brutkolonie von Seevögeln, ohne Schutz dem Wind ausgesetzt, der in wechselnder Stärke fortwährend durch die schmalen, kopfsteingepflasterten Gassen wehte. Je höher man stieg, desto stattlicher wurden die Villen und Kontore, allesamt solide Holzbauten, die tief im Fels verankert waren. In dieser Gegend kannte ich mich wenig aus, mein Revier als Kind waren die weniger angesehenen Viertel der Kramläden und Spelunken unten am Hafen gewesen.
Als ich nach meinem tristen Marsch durch die graue Morgendämmerung dort ankam, dachte ich ironisch, wie viel besser es sowohl für Molly als auch für mich gewesen wäre, hätten wir nie den Fehler begangen, uns anzufreunden. Ihr guter Ruf hatte durch mich gelitten, und wenn ich mich nicht von ihr fernhielt, lief sie Gefahr, eine Zielscheibe für Edels Boshaftigkeit abzugeben. Was mich anging, so war der Schmerz, als ich damals glaubte, sie habe mich für einen anderen verlassen, eine Bagatelle, verglichen mit der Qual, sie jetzt in der Überzeugung zu lassen, ich hätte sie belogen.
Ich erwachte aus meinem Grübeln und stellte fest, dass meine verräterischen Schritte mich geradewegs zur Tür ihres ehemaligen Kerzenladens geführt hatten. Jetzt war es eine Tee- und Kräuterhandlung. Genau was Burgstadt brauchte - noch eine Tee- und Kräuterhandlung. Ich fragte mich, was aus Mollys Bienenstöcken geworden sein mochte, und begriff plötzlich, dass für Molly das Gefühl der Entwurzelung zehnmal, nein noch hundertmal schlimmer sein musste. Wie leicht war ich da rüber
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