Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
unbedingt gerettet werden musste, Hoheit. Wie es aussah, wäre sie auch ohne meine Hilfe gut zurechtgekommen.«
»Nun, darüber wollen wir nicht nachdenken.« Er schwieg, dann meinte er unschlüssig: »Ich muss dich da für belohnen.«
Als ich den Mund auf machte, um zu protestieren, hob er gebieterisch die Hand. »Ich weiß, du willst nichts haben. Ich weiß auch, zwischen uns hat sich viel Bringschuld angehäuft, die ich niemals abtragen kann, erst recht nicht durch Ehrungen oder Geschenke. Aber meine Untertanen wissen davon nichts. Soll man in Burgstadt sagen, du hättest der Königin das Leben gerettet und der Thronfolger habe dir keinen Dank dafür gezollt? Doch ich weiß nicht recht, welcher Art das Geschenk sein sollte … sichtbar muss es sein und etwas, das du eine Zeitlang bei dir trägst. Soviel wenigstens verstehe ich von der Kunst des Regierens. Ein Schwert? Ein besseres als das Stück Eisen, das ich heute Abend bei dir gesehen habe?«
»Es ist eine alte Klinge, die Meisterin Hod mir gegeben hat, um damit zu üben«, verteidigte ich mich. »Sie tut ihren Dienst.«
»Scheint so. Ich werde sie anweisen, eine bessere Klinge für dich auszuwählen und Heft und Scheide eine Probe ihrer Kunstfertigkeit angedeihen zu lassen. Können wir uns darauf einigen?«
»Ich glaube.« Mir war nicht wohl in meiner Haut.
»Gut. Dann lass uns wieder zu Bett gehen. Und ich werde jetzt ruhig schlafen können, oder nicht?« Diesmal war die Belustigung in seiner Stimme unüberhörbar. Wieder schoss mir die Röte ins Gesicht.
»Hoheit, ich muss noch etwas fragen …« Es kostete mich Überwindung, die Worte auszusprechen. »Wisst Ihr, von wem ich geträumt habe?«
Veritas schüttelte verneinend den Kopf. »Keine Sorge, dass du sie bloßgestellt hast. Ich weiß nur, dass sie blaue Röcke trägt, aber für dich sind sie rot. Und dass du sie mit einer Inbrunst liebst, wie sie deinen jungen Jahren angemessen ist. Es sei dir gegönnt, nur verbreite nachts deine Begeisterung weniger verschwenderisch. Ich bin nicht der Einzige, der für solche Gabenbotschaften empfänglich ist. Selbst wenn wahrscheinlich nur ich sofort erkennen konnte, von wem sie stammt. Dennoch, sei auf der Hut. Galens Zirkel ist nicht zu unterschätzen, auch wenn sie keine Meister im Gebrauch der Gabe sind und nicht sehr stark. Ein Mann ist verwundbar, wenn seine Feinde wissen, woran sein Herz hängt. Halte deine Tore geschlossen.« Er lachte glucksend in sich hinein. »Und du solltest übrigens hoffen, dass deine Lady Rotrock keine Spur der Gabe in ihrem Blut hat, denn falls doch, hast du ihr in den letzten Nächten überdeutlich deine leidenschaftliche Verehrung kundgetan.«
Diesen beunruhigenden Gedanken im Hinterkopf, kehrte ich in mein Gemach und in mein Bett zurück, doch Schlaf fand ich in dieser Nacht keinen mehr.
KAPITEL 8
DIE KÖNIGIN ERWACHT
Oh, manche reiten zur frohen Jagd,
Erproben die Bracken und Pferde,
Doch mein Liebster reit’ mit der Königin,
Dass uns geholfen werde.
Sie denkt nicht an Ruhm an jenem Tag,
Denkt nicht, was werd’ ihr zuleide,
Die reitet für unseren Stolz und Mut,
Und mein Liebster reit’ ihr zur Seite.
DIE JAGD DER KRIEGERKÖNIGIN
Am nächsten Morgen erwachte die ganze Burg in aller Frühe zum Leben. Es herrschte eine fiebrige, beinahe festliche Atmosphäre, als Veritas’ Leibgarde und jeder Kriegsmann, der an diesem Tag nicht zum Dienst eingeteilt war, sich zur Jagd versammelten. Unter den Jagdhunden kläfften die Schweißhunde übermütig, während die Bullenbeißer mit ihren Brustkästen wie Fässern und ihren starken Kiefern aufgeregt blaffend an der Leine zogen. Man schloss erste Wetten ab, wer bei der Jagd am erfolgreichsten sein würde. Pferde stampften, Bogensehnen wurden überprüft, während Pagen hierhin und dorthin liefen. In der Küche war das Gesinde damit beschäftigt, den Proviant für die Jagdgesellschaft einzupacken. Soldaten, jung und alt, Männer wie Frauen, stolzierten herum, lachten laut, prahlten mit früheren Heldentaten, verglichen ihre Waffen und steigerten sich in die gebührende Jagdstimmung hinein. Ich hatte dieses Szenario schon hundertmal vor einer Winterjagd auf Elch oder Bär erlebt. An diesem Tag aber lag ein Schatten darüber, ein dumpfer Blutgeruch. Ich schnappte Gesprächsfetzen auf, die mir Unbehagen verursachten: »… keine Gnade für diesen Abschaum …«, »… Feiglinge und Verräter, die es wagen, sich an unserer Königin zu vergreifen…«, »… werden
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