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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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jede Formulierung.
    »Wir ziehen nicht aus, um zu ja gen«, wiederholte sie, »sondern um unsere Gefallenen heimzuholen. Wir ziehen aus, um jene zur Ruhe zu betten, die die Roten Korsaren uns geraubt haben. Die Roten Korsaren haben den Entfremdeten das Herz genommen und uns nur ihre Körper gelassen, damit sie uns quälen. Dennoch sind jene, die wir heute töten werden, von unserem Volk. Unsere Landsleute.
    Soldaten, nicht Hass soll eure Pfeile beflügeln, nicht Rachedurst eure Schwerter lenken. Wir alle haben genug gelitten, es soll jeder Tod heute so gnädig sein, wie der Tod nur gnädig sein kann, um unser aller willen. Wappnen wir uns, aus unserer Mitte zu entfernen, was uns vergiftet, mit ebensolcher Entschlossenheit und ebensolchem Bedauern, wie man ein verstümmeltes Körperteil vom Körper trennt. Denn das ist es, was wir wollen - nicht Vergeltung, sondern Amputation, auf die Heilung folgt. Darum handelt nach meinen Worten.«
    Sie verstummte und schaute einige Minuten still auf uns hinunter. Wie in einem Traum befangen, gerieten die Menschen in Bewegung. Jäger entfernten Federn und Bänder, Zierat und Schmuck von ihrer Kleidung und übergaben alles den Pagen. Die aufgeregte und prahlerische Stimmung von eben war verflogen. Kettricken hatte die Fassade der Selbsttäuschung eingerissen und die Menschen gezwungen, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Ernüchterung war die Folge. Währenddessen wartete Kettricken schweigend und regungslos ab, und erst als sie sah, dass ihr wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit der Versammelten gehörte, ergriff sie erneut das Wort.
    »Gut«, lobte sie uns ernst. »Und nun hört mir aufmerksam zu. Ich will, dass man Pferdesänften anspannt oder Wagen, was immer ihr aus den Ställen für das Beste haltet. Sie sollen mit Stroh ausgepolstert sein. Nicht einen der Unseren werden wir den Füchsen zur Nahrung überlassen oder den Krähen. Wir bringen sie mit uns zurück, man wird ihre Namen aufschreiben und einen Scheiterhaufen vorbereiten, damit ihre sterbliche Hüllen von den Flammen verzehrt werden, wie es für alle ehrenvoll im Kampf Gefallenen Brauch ist. Wo die Familien bekannt sind und in der Nähe wohnen, soll man sie zum Leichenfeier laden. Jene, die weiter entfernt sind, erhalten Nachricht und den Dank, der allen gebührt, deren Blutsverwandte als Soldaten das Leben verloren haben.« Unwillkürlich liefen ihr Tränen über die Wangen, und in der blassen Wintersonne glitzerten sie wie Diamanten. Mit erstickter Stimme wandte sie sich an eine andere Gruppe. »Ihr Küchengesinde, Knechte und Mägde, deckt in der großen Halle die Tische und bereitet ein Totenmahl vor. In die kleine Halle bringt Wasser und Kräuter und reine Tücher, damit wir die Leichen waschen und würdig verhüllen können. Ihr anderen, vergesst für heute eure gewöhnlichen Pflichten, bringt Holz und er richtet den Scheiterhaufen. Wir werden zurückkehren, um unsere Toten zu verbrennen und zu beweinen.« Sie schaute in die Runde und erwiderte die Blicke der Menschen, die zu ihr aufsahen. Dann verhärteten sich ihre Züge. Sie zog ihr Schwert und reckte es zum Schwur in die Höhe. »Doch wenn wir genug getrauert haben, werden wir sie rächen! Jene, die uns dieses Leid zugefügt haben, werden unsern Zorn zu spüren bekommen!« Langsam senkte sie die Klinge und ließ sie in die Scheide zurückfallen. Wieder musterte sie uns mit ihrem entschiedenen Blick. »Und nun lasst uns reiten, meine Getreuen.«
    Ich hatte eine Gänsehaut bekommen. Um mich herum bestiegen Männer und Frauen ihre Pferde und formierten sich zu einer Kolonne. Genau im rechten Augenblick erschien Burrich neben dem Wagen, Federleicht am Zügel führend. Ich fragte mich, wo er das Zaum- und Sattelzeug in Schwarz und Rot hergenommen hatte, den Farben von Trauer und Vergeltung. Hatte sie es verlangt, oder war es Eigenmächtigkeit von ihm? Kettricken wechselte vom Bock des Wagens in den Sattel des Pferdes, und Federleicht stand trotz ihrer ungewohnten Art aufzusteigen da wie in Erz gegossen. Kettricken hob die Hand und stieß sie nach vorn. Hinter ihr strömte der Reiterzug mächtig vom Hof und zum Tor hinaus.
    »Halt sie auf!«, zischte Edel in meinem Rücken. Ich fuhr herum und merkte, dass er und Veritas unbemerkt von der Menge hinter mir standen.
    »Nein!«, wagte ich mit gedämpfter, aber entschiedener Stimme zu widersprechen. »Fühlt Ihr es nicht? Man darf es nicht zerstören. Sie hat ihnen allen etwas wiedergegeben. Ich weiß nicht was, aber sie

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