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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es teuer bezahlen …«, »… verdienen keinen schnellen Tod …«. Beklommen trat ich den Rückzug durch die Küche an, suchte mir einen Weg durch die Eingangshalle, in der es wie in einem aufgestörten Ameisenhaufen wimmelte. Auch hier die gleichen Aussprüche und das gleiche Verlangen, blutige Rache zu nehmen.
    Ich fand Veritas in seinem Kartenzimmer. Obwohl er sich gewaschen und frisch angekleidet hatte, trug er die letzte Nacht so unübersehbar an sich wie ein schmutziges Hemd, und zu meiner Überraschung sah es nicht so aus, als hätte er vor, hinunterzugehen und sich an die Spitze des Jagdtrupps zu setzen. Obwohl die Tür halb offen stand, klopfte ich leise an. Er saß mit dem Rücken zu mir in einem Sessel vor dem Feuer und hob bei meinem Eintreten nicht den Kopf. Ungeachtet seines Schweigens und seiner Bewegungslosigkeit, herrschte in dem Raum Gewitterstimmung, die Ruhe vor dem Sturm. Neben seinem Sessel stand auf seinem Tisch unberührt das Tablett mit dem Frühstück. Ich wartete stumm, denn ich war so gut wie sicher, dass ich mit der Gabe gerufen worden war. Doch als die Minuten verstrichen, fragte ich mich, ob Veritas selbst noch wusste, weshalb. Endlich beschloss ich, die Initiative zu ergreifen.
    »Werdet Ihr heute nicht mit hinausreiten?«, fragte ich.
    Es war, als hätte ich ein Schleusentor geöffnet. Er sah zu mir auf, sein Gesicht wirkte wie eingefallen. Die Furchen in Stirn und Wangen hatten sich über Nacht doppelt so tief eingegraben. »Nein! Ich wage es nicht. Wie könnte ich das unterstützen, diese Treibjagd auf unsere Landsleute und Blutsverwandten. Andererseits - was bleibt mir anderes übrig? Mich hinter den Mauern verschanzen, während andere ausziehen, um diese Beleidigung meiner Gemahlin zu rächen? Ich kann meinen Leuten nicht verbieten zu tun, was die Ehre ihnen gebietet. Also muss ich vortäuschen, ich wüsste nichts von den Vorbereitungen im Burghof. Als wäre ich blind und taub oder gar ein Schwächling und Hasenfuß. Unzweifelhaft wird man über den heutigen Tag eine Ballade verfassen. Wie wird man sie überschreiben? ›Veritas’ Massaker der schuldlos Schuldigen‹? Oder ›Königin Kettrickens Opferung der Entfremdeten‹?« Von Wort zu Wort wurde seine Stimme lauter, und ich ging zur Tür und machte sie zu. Wer außer mir mochte gehört haben, was gesprochen worden war? »Habt Ihr heute Nacht noch schlafen können, Hoheit?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
    Er lächelte ein trostloses Lächeln. »Du weißt ja, was mich aus dem ersten Schlaf gerissen hat. Die zweite Störung war weniger - harmlos. Meine Gemahlin hat mich in meinen Gemächern aufgesucht.«
    Ich fühlte, wie meine Ohren heiß wurden. Was immer er im Begriff war zu erzählen, ich wollte es nicht hören. Ich hatte nicht den Wunsch zu erfahren, was vergangene Nacht zwischen ihnen vorgefallen war. Streit oder Versöhnung, ich wollte nichts davon wissen, aber Veritas war erbarmungslos.
    »Nicht in Tränen aufgelöst, wie man vielleicht glauben könnte. Nicht, um getröstet zu werden. Nicht, um sich nach einem bösen Traum in meine Arme zu flüchten oder sich meine unveränderte Zuneigung bestätigen zu lassen. Nein, um stocksteif wie ein getadelter Feldwebel am Fußende meines Bettes zu stehen und für ihre Unbedachtsamkeit um Vergebung zu bitten. Kreideweiß und unbeugsam wie eine Eiche …« seine Stimme wurde leiser. Er verstummte, als wäre ihm bewusst geworden, dass er gerade zu viel von sich preisgab. »Sie hat diese Strafexpedition vorhergesehen, nicht ich. Sie kam mitten in der Nacht zu mir, um mich zu fragen, was wir tun sollen. Ich wusste keine Antwort, so, wie ich auch jetzt noch keine weiß …«
    »Wenigstens hat sie die Entwicklung vorhergesehen«, meinte ich, in der Hoffnung, ihn versöhnlicher zu stimmen, was Kettricken betraf.
    »Und ich nicht«, wiederholte er dumpf. »Sie beweist einen Weitblick, wie Chivalric ihn hatte. Oh, Chivalric wäre gewarnt gewesen, von dem Augenblick, in dem er erfuhr, dass sie vermisst wurde, und er hätte eine beliebige Menge von Notfallplänen bereitgehabt. Doch ich ahnte nichts. Ich dachte an nichts anderes, als sie möglichst schnell nach Hause zu bringen und zu hoffen, der Vorfall würde kein zu großes Aufsehen erregen. Gipfel der Einfalt! Seit ich hier sitze, muss ich daran denken, dass ich unwürdig bin, jemals die Krone zu tragen.«
    So hatte ich Prinz Veritas noch nicht erlebt, als einen Mann, dessen Selbstvertrauen in Trümmern lag. Ich Begriff, was für

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