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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhoda Janzen
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mein Vater haben einen Hochschulabschluss. Doch in ihrer Frömmigkeit hatten sie Fächer gewählt, die sie nicht von ihrem Glauben abbringen konnten. Krankenpflege steht im Einklang mit Jesus’ biblischem Amt, die Kranken zu heilen, und die Theologie verdankt ihre Daseinsberechtigung der Annahme, dass Gott existiert und Anteil daran nimmt, wie es seiner Schöpfung ergeht. Ich nehme allerdings an, dass selbst meine Eltern besorgt waren, als ich ein akademisches Feld wählte, das zu philosophischen Fragen anregte, ja, nach diesen sogar verlangte.
    Eine meiner zahlreichen rebellischen Verhaltensweisen ist die Weigerung, Gott um irgendetwas zu bitten, besonders vor Mahlzeiten, besonders laut. Gesuche nach göttlicher Intervention kommen mir irgendwie läppisch und unlogisch vor. Warum sollte Gott dem einen ein Gebet erfüllen, während ein anderer ihn um das Gegenteil bittet? Wie kommt ein Glaubender dazu zu denken, dass er im globalen Geschehen besondere Behandlung verdient? Dagegen gefällt mir die Vorstellung, beim Beten die Betonung darauf zu legen, wie gut wir es im Leben eigentlich getroffen haben. Es entselbst das Selbst, wie der Theologe Eugene Peterson sagen würde. Ich werde erst nervös, wenn die Leute anfangen, göttliche Intervention zu erwarten, denn dann fangen sie auch an, Gottes Stimme zu hören, die ihnen zum Beispiel den Auftrag gibt, einen Haufen Leute im Irak zu töten.
    Doch hier saß mein Vater an einem Tisch des Fast-Food-Restaurants Denny’s , die großen Hände gefaltet, den schönen Kopf gesenkt. Er betete nicht nur, als würde Gott zuhören; er betete, als stünde Gott direkt vor ihm und wartete darauf, seine Bestellung aufzunehmen, so wie es die Kellnerin zuvor getan hatte. Wenn Sie mit Ihren Eltern unterwegs sind, lassen sich alte Angewohnheiten jedoch nur schwer ablegen. Trotz all der Peinlichkeit – selbst die Kellnerin konnte sich kaum das Grinsen verkneifen – und trotz der Tatsache, dass die süßen Typen von gegenüber, die mich gemustert hatten, sichtlich abgeturnt waren, senkte ich den Kopf und schloss die Augen. Furchtlos.

VIER
    Verletzende Worte
    »Tante Rhoda«, sagte Allie, »willst du mit uns Super-Scrabble spielen?«
    »Auf jeden Fall«, antwortete ich.
    Meine Schwester und ich hatten noch keine Minute für uns gehabt. Doch wir stehen uns sehr nahe und sind gut darin, uns mit indirekten Blicken und versteckten Lächeln zu verständigen. Wir sind füreinander der Fels in der Feiertagsbrandung. Ich war inzwischen seit mehreren Wochen an der Westküste, und Hannah würde einen detaillierten Bericht darüber verlangen, wie es sich anfühlte, zurück im Schoß der Mennoniten zu sein. Beide konnten wir es kaum erwarten, unter vier Augen zu sein, um uns einen Drink zu genehmigen und uns gegenseitig mit Fragen zu löchern. Kurz bevor meine Eltern und ich bei Hannah ankamen, war ihre Schwägerin Yvonne, die Schwester ihres Mannes, abgereist, und ich war neugierig, das Neueste von dieser Front zu hören.
    Hannahs Mann Phil war toll. Eine seiner vielen wunderbaren Eigenschaften war die ausdrückliche Abwesenheit jeglichen Interesses daran, seine Frau wegen eines Kerls von Gay.com zu verlassen. Und doch hatte auch Phil eine fatale Schwäche. Sein persönlicher Dämon, sein Kryptonit, war seine Schwester Yvonne. Insbesondere mit Yvonnes Frisur hatte er ein Problem, was wir als implizite Kritik an einer ganzen Reihe von Verhaltensweisen, Übergriffen und Gewohnheiten auffassten, mit denen ihn seine Schwester verletzt hatte. Immer wieder ritt er auf der Tatsache herum, dass Yvonnes Haar wie eine hochglänzende nestförmige Perücke aussah und dass seine Schwester es als sein eigen Fleisch und Blut doch besser wissen müsste. Mit seinen stolzen eins achtundneunzig sah er das Nest immer aus der Vogelperspektive und konnte es deshalb unmöglich ignorieren. Es thronte verwegen auf Yvonnes Kopf wie die langen schwarzen Hüte der Beefeater vor dem Buckingham Palace. Manchmal summte Phil nach Yvonnes Besuch unwillkürlich die Melodie der Wachablösung aus Der Zauberer von Oz vor sich hin.
    Selbst von der Seite betrachtet konnte das Nest einen vergessen lassen, was man gerade sagen wollte. Einmal an der Uni war eine zornige Feministin, die sich Lilith nannte – ihr echter Name war Barb –, in einem winzigen Bikini bei einer Poolparty aufgetaucht. Aus ihrem Bikinihöschen wucherte ein sagenhafter, drahtiger Busch. Alle waren sich einig, dass Lilith mit Absicht so aufgekreuzt war, um die anderen

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