Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FJORD: Thriller (German Edition)

FJORD: Thriller (German Edition)

Titel: FJORD: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halvar Beck
Vom Netzwerk:
an. Die Beine so leicht, als würden sie fliegen. Jemand machte sich an seinem Oberarm zu schaffen, gleich darauf engte ihn dort etwas ein. 
    »Hm … der Blutdruck ist nicht gut, gar nicht gut«, hörte er jemanden sagen. Noah? Noah Sørensen, der alte Dorfarzt, dessen Stimme rissig und ächzend klang. Wie altes Holz, verwittert und abgelagert. Der einzige Arzt von hier bis Trondheim. Er wollte schon längst im Ruhestand sein, aber es fand sich kein Nachfolger. Was wollte Noah von ihm? 
    Ein weiterer, diesmal hysterischer Schrei. Ann Christin, alles ist gut , versuchte Erik ihr zu sagen, es ging ihm doch gut. Er fühlte sich warm und behütet. Zwar konnte er sich nicht bewegen und brachte kein Wort über die Lippen, aber ihn erfüllte eine Leichtigkeit, die ihn geradezu beflügelte. Ja, vermutlich waren ihm Flügel gewachsen, seine Zeit gekommen. Einen Moment lang bedauerte er seine Lieben, die er zurücklassen musste, aber das war nicht für immer. Er wusste, eines Tages würden sie ihm folgen, und sie würden sich wiedersehen. Alles war gut. Doch wo war das Licht, auf das er nun zugehen wollte? Das Licht, von dem ihm auch sein Vater erzählt hatte, als dieser starb … 
    Das Licht war fort. Erik nahm seine Umgebung schemenhaft wahr. Die Anwesenden zerrten und zogen an ihm. Nicht, dass es schmerzte, es war eher wie beim Zahnarzt, beim Bohren in einem betäubten Zahn. Man fühlt die Vibrationen und den Druck, aber keine Nervenreize. Sie fummelten an seinem linken Arm herum und plötzlich spürte er doch etwas. Einen Stich. Vermutlich eine Spritze. Was hatten die nur? Es war doch alles … Ann Christins greller Schrei unterbrach seine Gedanken. 
    Um ihn herum wurde es dunkel und ruhig. Ihm schien, als flöge er leicht und ohne jede Anstrengung davon. Alles war gut. Er wollte noch Luft für einen tröstenden Abschiedssatz holen, doch dafür war es zu spät.
     
     
     

4
    Carl Morgan saß in seinem kleinen Wohnzimmer, als das Telefon läutete. Er drehte den Kopf. Das Scheuern der Halswirbel verursachte ein knirschendes Geräusch. Anrufe waren äußerst selten geworden, so dass er zunächst einfach nur den Apparat anstarrte. Wer sollte noch etwas von ihm wollen? Er wohnte seit ein paar Monaten in dieser kleinen, lange Zeit leerstehenden Wohnung, die früher Saisonarbeiter der Fischfangflotte beherbergt hatte. Doch als die Fischgründe schwanden und die Flotte stillgelegt wurde, brauchte niemand mehr Saisonkräfte. Keiner von den Männern blieb auch nur einen Tag länger in seinem Dorf, als er musste.
    Das waren noch Zeiten gewesen, als die Wirtschaft im Ort geblüht hatte. Von dieser Wirtschaft war nicht viel übrig geblieben, ebenso wenig wie von seinem früheren Leben. Kongesanger war einmal seine Stadt, er war der Hüter über Recht und Ordnung gewesen. Als Leiter der Polizeiwache hatte er drei Polizisten zu führen. Mit der Fischerei wurden auch seine Mitarbeiter abgezogen, und bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand war er einige Jahre der einzige Gesetzeshüter im Ort gewesen.
    Heute verbrachte er seine Zeit viel zu oft in der noch vorhandenen Wirtschaft – in der Kneipe im Ort, der einzigen Unterhaltung, seit seine gute Emma vor fast fünf Jahren verstorben war. Beide hatten nie verwunden, was ihrem kleinen Anders widerfahren war. Carl Morgan schüttelte den Kopf und schluckte den Kloß im Hals hinunter. So lange war es jetzt her, der Sohn gerade fünf Jahre alt geworden, als er im Hafenbecken ertrank.
    Ein zweiter Anruf scheuchte ihn aus seinen düsteren Erinnerungen. Da war jemand sehr hartnäckig. Carl atmete tief durch, seufzte brummig und richtete seine gedrungene, von Arthrose geplagte Gestalt langsam in dem abgewetzten Sessel auf. Es war der Lieblingssessel seiner Frau, einer der wenigen Einrichtungsgegenstände, die er beim Auszug aus dem Polizeihaus mitnehmen konnte und wollte. Die neue Wohnung war karg eingerichtet. Was brauchte er auch noch. Tisch, Bett, Sessel, Fernseher und ein paar Schränke für seine wenigen Habseligkeiten. Die krankheitsbedingte Pensionierung war überraschend gekommen. Gut sieben Jahre zu früh hatte er abtreten müssen. Nun lebte sein junger Nachfolger im Polizeihaus.
    Als Carl einen Fuß vorsetzte, um aufzustehen und sein Gewicht zu verlagern, stieß er gegen eine leere Flasche, die umfiel, davonrollte und von einer anderen leeren Flasche gestoppt wurde. Der alte Polizist blickte sich flüchtig in seinem Wohnzimmer um. Meist konnte er den Anblick der Unordnung,

Weitere Kostenlose Bücher