FKK im Streichelzoo - Roman
von dem bissigen Unterton, den sie an den Tag legt.
»Ich mein ja nur.« Kleinlaut stecke ich das Ticket zurück unter die Glasente und widme mich den eingerahmten Fotos, die wunderschöne Landschaftsaufnahmen zeigen. Meist Wälder und Lichtungen. Etwas irritiert bin ich von den Vordergründen, die mir verschiedene Melanies zeigen, die ich so noch nicht kennengelernt habe. Melanie in fantasievollen Kostümen.
»Gehörst du zu einem Karnevalsverein oder so?« Die Verwunderung in meiner Stimme lässt sich nicht verbergen.
»Oder so«, schnaubt sie verächtlich. Diesmal macht sie sich gar nicht mehr die Mühe aufzusehen.
Ich sehe mir die Bilder näher an. Auf einem trägt sie ein hellblaues Minikleid mit schwarzen Stiefeln, umgeben von unförmigen Gestalten in meist rot-schwarzen Overalls. Sie hat eine Topfigur, das muss ich neidlos anerkennen. Ich nehme das Bild von der Wand und halte es Melanie fragend entgegen. »Rosenmontagszug in Köln?«, spreche ich meinen ersten Gedanken laut aus.
Jetzt habe ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Das ist das Jahrestreffen des ersten DSTF!«, erwidert sie scharf.
»Des was?«
Sie pustet eine Locke aus dem Gesicht und spricht ganz langsam, als hätte sie es mit einem Kleinkind zu tun: »Des ersten Deutschen Star-Trek-Fanclubs. Für einen Science-Fiction-Autor hast du ja wirklich überhaupt keine Ahnung von der Fanszene.«
»Und da verkleidet ihr euch?«
Ich sehe, wie sich Flecken an ihrem Hals ausbreiten, als wäre ihr das Thema ein wenig peinlich. »Ich bin Cosplayerin.« Sie nickt der Nähmaschine zu.
»Das tut mir leid«, sage ich in der Annahme, es handele sich um eine Krankheit.
Noch während ich mitleidig mit dem Kopf nicke, klärt sie mich auf: »Das ist ein Hobby von mir. Wir nähen Kostüme aus Science-Fiction-Filmen nach und treffen uns hin und wieder auf Fan-Veranstaltungen oder zum Live-Rollenspiel …«
»Rollenspiele?«, greife ich den Faden auf.
»Bevor du fragst: Nein, das hat nichts mit Sex zu tun.«
Ich vermute, sie kann die Enttäuschung in meinem Gesicht lesen.
»LARP-Partys«, fährt sie fort, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Das steht für Life-Action-Role-Play. Da treffen sich Gleichgesinnte, die sich als eine Fantasyfigur verkleiden und in einer fiktiven Spielewelt agieren. Zum Beispiel in Wäldern oder …«
»Klingt nach Swingerklub.«
»Du musst es ja wissen. Aber im Prinzip ist das nichts anderes als eine etwas abgedrehte Variante von Improvisationstheater.«
»Etwas?«
Sie runzelt die Stirn und widmet sich wieder dem Dokument. Doch so ganz lässt sie das Thema auch nicht los. »Deshalb auch das Ticket zur FedCon. Dort werde ich an einem Kostümwettbewerb teilnehmen. Und wenn du mich jetzt bitte weiterlesen lassen könntest?«
Lasse ich.
Anscheinend ist die Sache mit Star Trek aber nur die halbe Wahrheit, denn auf der anderen Seite des Sideboards gibt es noch mehr Fotos von Melanie im Kostüm. Wirklich gut gefälltmir das Bild im Prinzessin-Leia-Kostüm, auf dem sie in Handschellen von zwei Sturmtruppen abgeführt wird. Der Hintergrund ist diesmal keine Landschaft, sondern ein nüchtern-kalter Raum, der tatsächlich Ähnlichkeit mit dem Todesstern aufweist.
»Ihr nehmt die Sache sehr ernst, was?«
»Ist doch beim Karneval immer so, oder nicht?« Melanie schaut vom Laptop auf und reibt sich über das Gesicht. »Die Wahrheit?«, fragt sie.
»Bitte was?«
»Na, zu deinem Manuskriptentwurf.«
Ich nicke zaghaft und setze mich wieder auf den Korbsessel, der bedrohlich unter meinem Gewicht knirscht.
Sie holt tief Luft. »Ich habe es jetzt zwar nur grob überflogen, aber ich glaube zu wissen, wo das Problem liegt: Die Erklärungen sind zu vage, die Beschreibungen der Charaktere viel zu stereotyp. Und der Plot ist auch ein wenig … unlogisch.«
Ihr liegt ein anderes Wort als unlogisch auf den Lippen, soviel ist klar. Ich tippe auf ›komplett-abgedreht-und-von-vorne-bis-hinten-unglaubwürdig‹.
»Das hier soll der Abschlussband des Zyklus werden. Der Band, in dem sich alle Handlungsfäden aufdröseln, die in den letzten fünfzig Ausgaben ausgelegt wurden. Mit diesem Band musst du die Leute so fesseln, dass sie heiß auf den nächsten Zyklus sind und es kaum erwarten können, bis das nächste Heft am Kiosk erscheint.«
Ihre Worte werden von wilden Armbewegungen begleitet.
»Das hast du sehr schön zusammengefasst.«
»Tja, davon ist das hier aber noch Lichtjahre entfernt.«
Meine Stimme wird brüchig. »Das
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