FKK im Streichelzoo - Roman
Fliesenboden.
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Bei den Erdwölfen entscheidet sich das Weibchen oftmals bei der Begattung nicht für den Partner, mit dem es zusammenlebt, sondern für ein stärkeres Männchen aus dem benachbarten Revier. Allerdings gilt das nur für die körperlichen Vergnügen. Bei der Aufzucht ist dann wieder der Lebenspartner gefragt.
Winzige Regentropfen prasseln mir ins Gesicht, als sich vier Tage nach diesem Desaster die Eingangstüren des Krankenhauses hinter mir zuschieben. Genauso schubweise breitet sich das zerschmetternde Gefühl der Leere in mir aus. Alles um mich herum ist schwarz, wie in zähflüssigen, vor sich hindampfenden Teer getaucht. Da ist nichts mehr, worauf ich mich freuen kann. Ich habe das Gefühl, auf einer Stelle zu stehen, während ein tristgraues regennasses Karussell an mir vorbeirauscht und Straßenzüge, Autos und Menschen mit sich zieht.
Die letzten Tage habe ich in einer Art Schwebezustand verbracht. Mein Unfall im Affenhaus hatte nicht nur für das Reinigungspersonal des Krankenhauses Konsequenzen. Auch ich habe meine Lehre daraus gezogen: Schluss mit Schmuddel. Nie wieder Porno! Nie wieder Jean! Nachdem ich wieder Herr meiner Sinne war, habe ich sofort zum Telefon gegriffen und ihm genau das gesagt. Sehr eindrücklich, laut und wenig nett. Ich denke, er hat es dieses Mal verstanden.
Außerdem haben sich mit dem Unfall ohnehin alle Karriereträume ins Nirwana verabschiedet. Wer will schon einen Pornodarsteller mit zertrümmertem Penis sehen? Nicht mal in Fetischkreisen ist so was gefragt. Und obwohl die Ärzte davon ausgehen, dass man in einem halben Jahr nur noch eine kleine Narbe sehen wird, bin ich froh, endlich den längst fälligen Schlussstrich gezogen zu haben.
Unangenehme Fragen spielen Pingpong zwischen meinen Ohren: Werde ich jemals wieder eine Erektion bekommen können, mit der ich keine der vorangegangenen traumatischen Erlebnisse verbinde? Und, vor allem: Habe ich nach all dem noch Chancen bei meiner Traumfr…
»Mensch, pass doch auf!«
Mit einem festen Ruck werde ich brachial nach hinten gerissen. Reflexartig schaffe ich es noch, meine Laptop-Tasche festzuhalten, bevor sie mir aus den Händen gleitet. Nur einen Augenaufschlag später erfasst mich ein kühler Luftzug, ein ohrenbetäubendes, lang gezogenes Hupen ertönt, und dann rast ein gelbrotes Gelenkarm-Monstrum dicht an mir vorbei: die Linie 5 Moselweiß/Alter Graben.
Mein ohnehin schon arg in Mitleidenschaft gezogenes Herz stellt vorübergehend den Betrieb ein, was sich auf meinen Organismus nicht folgenlos auswirkt: Schnappatmung. Schockstarre. Schwindelattacke.
Die lebensrettende Hand ruht noch immer auf meiner Schulter.
»Danke, das war knapp«, keuche ich.
Ich drehe mich zu meinem Retter um und sehe eine wütend zusammengezogene Monoaugenbraue und eine in Falten gelegte Stirn, umrahmt von einem aschblonden nassen Lockennest.
»Viel hätte nicht gefehlt, und du wärst Matsch.«
»Melanie«, stammele ich. »Das ist ja …«
»Ein komischer Zufall, ich weiß.« Sie grinst so gehetzt, wie ich mich fühle. »Alles okay?«, will sie wissen.
Ich bin mir da nicht so sicher. Hastig taste ich meinen Körper ab. Alles noch dran.
»Was machst du denn hier?«, japse ich unter Schock.
Mein Blick wechselt abwechselnd zu ihr und dem abbiegenden Omnibus, auf dem ich den Slogan der Eigenwerbung lese: »Bussi von links.«
Kann ich nicht drüber lachen. Meine zittrigen Finger wischen klatschnasse Haare aus der Stirn. Aufgelöst drehe ich mich wieder zu Melanie. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, du bist mein Schutzengel.«
Sie lächelt und vollführt eine abwehrende Handbewegung. »Purer Zufall«, sagt sie noch einmal. »Ich war im Krankenhaus, habe da gerade ein Interview geführt mit einem Chirurgen, von wegen Sexunfälle im Haushalt und so. Hab mich aus Versehen auf den Staubsauger gesetzt, du weißt schon.«
Ich nicke stumm.
»Apropos Unfall. Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken? Das hätte böse ins Auge gehen können. Und wie siehst du überhaupt aus?!«
Wir beide blicken an mir herunter. Ich trage einen verwaschenen Kapuzenpulli und meine weite Jogginghose. Nicht gerade schick, andererseits kann man doch heutzutage alles tragen. Außerdem: Wie soll schon jemand aussehen, dem vor nicht allzu langer Zeit das Herz aus der Brust gerissen und ein Strohhalm ins beste Stück gesteckt wurde? Ich finde, dass ich dafür absolut passend gekleidet bin.
»War eine anstrengende Woche«,
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