Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FKK im Streichelzoo - Roman

FKK im Streichelzoo - Roman

Titel: FKK im Streichelzoo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjoern Berenz
Vom Netzwerk:
erwidere ich müde. »Nils hat mir das Nötigste vorbeigebracht. Na ja.« Ich zucke resigniert mit den Schultern.
    Sie blinzelt angestrengt einen mitten im Auge gelandeten Regentropfen weg.
    Mir fallen keine Tropfen ins Auge, jedenfalls merke ich nichts davon. Gelähmt vor Schock, Scham und Schmerz bleibe ich regungslos stehen und lasse es auf mich herabregnen.
    »Geht’s dir gut?«, fragt sie besorgt.
    Ich setze meinen »Wird-schon-Blick« auf und möchte selbiges sagen. Aber meine Stimme bleibt im Hals stecken. Ich starre auf die Schaf-Umhängetasche neben Melanies schlanker Taille, die mich mit müdem Blick ansieht, und merke, wie mir die Tränen kommen. Ich kann nichts dafür, sie brechen aus mir heraus wie Betonbrocken aus dem porösen Jangtse-Staudamm.
    Eine ganze Weile stehen wir einander auf der Fußgängerinsel gegenüber. Eine einsame Sandbank inmitten eines tosenden, wellenschlagenden Meeres. Um uns zirkuliert im Stop-and-go-Tempo der Feierabendverkehr und nimmt keinerlei Notiz von dem Drama, das sich hier abspielt. Trotz des Regens nimmt sich Melanie die Zeit und lässt mich ausweinen. Sie beweist Geduld, denn ich heule ausdauernd und intensiv.
    Als der letzte Schluchzer schließlich verstummt ist, meint sie aufmunternd: »Komm, ich bring dich nach Hause.«
    *
    Es stellt sich heraus, dass Melanie nicht mein, sondern ihr Zuhause gemeint hat. Ihre Wohnung hat eine unverkennbar weibliche Note, die sich in unzähligen unnützen Accessoires aus einem schwedischen Möbelhaus widerspiegelt.
    »Bin gleich wieder da, mach es dir doch schon mal im Wohnzimmer bequem.« Sie lächelt mir aufmunternd zu und biegt ab in Richtung Bad.
    Neugierig sehe mich um. Ich stehe in einem kleinen, aber aufgeräumten Wohnzimmer. An der hinteren Wand befindet sich ein rustikal aussehender Arbeitstisch mit vielen Schubladen, auf dem eine abgedeckte Nähmaschine steht. Daneben sind durchsichtige Plastikkisten gestapelt, die voll sind mit bunten Stoffbahnen und glitzerndem Nippes. An die Wand sind Schnittmuster gepinnt. Mal ein Ärmel, mal ein Bein. Ich hoffenur, dass ich nicht bei einer Psychopathin gelandet bin, die gerade dabei ist, ein Kostüm aus Menschenhaut zu schneidern. Kennt man ja aus Horrorfilmen.
    Keine Minute später kommt Melanie mit zwei Handtüchern zurück. Sie selbst hat sich in der kurzen Zeit ein weites Sweatshirt übergestreift. Die Jeans hat sie gegen eine Baumwollleggins eingetauscht, und anstelle der Stiefeletten stecken ihre Füße nun in flauschigen Plüschpantoffeln.
    »Ich hab uns einen Tee gekocht.«
    Wir nehmen in den weißen Korbsesseln im Wohnzimmer Platz und schauen durch die Gegend, als wären wir beide hier fremd. Sie sitzt im Schneidersitz, die dampfende Teetasse in beiden Händen, und grinst mich an. Ich kauere ihr schräg gegenüber und grinse zurück. Nicht, dass ich einen Grund dazu hätte. Außerdem hasse ich Tee.
    »Schön hast du’s hier«, sage ich. »Du schneiderst?«
    Wir beide starren die verdeckte Nähmaschine an. »Ja. So ein bisschen aus Hobby, als Ausgleich. Zum stressigen Verlagsalltag.«
    »Und was schneiderst du? Kleider? Kissen? Taschen?« Lampenschirme aus Menschenhaut?
    »Vieles«, erwidert sie knapp und lässt ihren Mund hinter der Teetasse verschwinden. Das Nähen ist kein Thema, das sie vertiefen möchte, soviel ist selbst mir klar. Als sie die Tasse wieder absetzt, fragt sie: »Also?«
    »Also was?«
    »Was ist passiert, dass du so durchhängst? Liegt es an dieser Urologin? Cassandra?«
    Allein beim Klang des Namens zieht sich mein Herz zusammen.
    »Hast du meinen Rat befolgt und ihr klargemacht, wie ernst es dir ist?«
    Meine Gedanken schweifen zu Prinz Albert ab, der drauf und dran war, meine Eichel zu spalten. »Ja, äh, hab ich.«
    »Und?«, fragt sie ungeduldig.
    »Lief nicht so gut«, erwidere ich wortkarg und hoffe, dass sie versteht, dass auch ich ein Thema habe, über das ich nicht reden will.
    Sie tut es nicht.
    »Was lief denn nicht gut?«, will sie genau wissen.
    Ich stelle die Tasse ab, lehne mich zurück und strecke die Arme von mir. »Sie hat einen anderen.«
    »Oh«, sagt Melanie. »Aber ich dachte, dass …«
    »Anscheinend hattest du recht«, unterbreche ich sie. »Sie wollte wirklich den Pornodarsteller. Nicht mich als Person.«
    »Hat sie dir das so gesagt?«
    Ich denke zurück an das Nippelpiercing in Form einer Hibiskusblüte, die halterlosen Strümpfe, den Trüffel und die Banane. An Hagen und an Dubai.
    »Ja, doch, schon. Vielleicht nicht so direkt.

Weitere Kostenlose Bücher