Flachskopf
verlockende Geld in der Hand, überzeugte im Nu sein Gewissen... daß er noch viel Zeit bis zu seiner Ersten Kommunion hatte... und die vier Groschen glitten behutsam in seine Hosentasche.
Er kehrte zu Max zurück, der seine Schüssel blank geputzt hatte, streichelte ihm freundlich den Rücken, pfiff ein Liedchen, damit seine Mutter im Stall hören sollte, daß er noch da war, lief zu ihr hin und sagte, daß er nun ginge, und schob ab.
Max sprang wild hinter ihm her.
Der Besuch bei Herrn Boon und das Hummelnest
S cheinbar ruhig und ohne besondere Eile schritt Flachskopf die Straße hinauf. Aber eine nervöse Unruhe war in ihm, eine Angst, daß es plötzlich durch irgendeinen Zufall an den Tag kommen könnte. Laufen durfte er nicht, nein, er hatte sich schon so oft dadurch verraten. Wenn er sich hastig davonmachte, wußte man zu Hause immer, daß er irgend etwas gemaust oder eine Dummheit mit dem Hund oder mit der Katze angestellt hatte, oder noch Schlimmeres, und gewöhnlich war es auch der Fall gewesen. Langsam, die Hände in den Hosentaschen und ein Schulliedchen pfeifend, ging er die Straße hinauf. Wenn er dort um die Ecke gebogen war, hinter dem Walde, dann war er gerettet... Wenn er nur ja nicht mehr für eine andere Arbeit zurückgerufen würde! ...
Ha! ... so... nun konnte man ihn nicht mehr sehen... Hinter dem niedrigen Tannenwald erreichte er den Sandweg und blieb stehen. Zwischen den Bäumen hindurch blickte er nach Hause zurück. Wäre nun jemand in der Tür erschienen und hätte nach seiner Richtung ausgeschaut, dann wäre er davongelaufen, so schnell ihn die Beine tragen konnten. Aber alles blieb ruhig. Das Haus lag in der sengenden Mittagssonne wie ausgestorben, und nichts verriet, daß drinnen sich etwas rührte und lebte.
Heiß! ... Flachskopf ging im Schatten am Rande des Kiefernwaldes, dessen dichte, grüne Wipfel fest zusammengedrängt dastanden und keinen Zweig, keine Nadel bewegten, als fühlten sie die ermüdende Unbequemlichkeit, so eng in der glühenden Hitze zusammenzustehen. Zwischen dem Laub von hohen Buchen und Eichen und den niedrigen Sträuchern auf der anderen Seite des Sandweges sah er hier und da das Ziegeldach eines Hauses wie einen roten Klecks. Er kannte sie alle, das Haus der Spinne, von Bernades und Jan Broos, das ganze Leben darin, die Kühe, die Bodenkammern und die Hühnerställe, die Vogelnester in den Holzstößen und auf den Bäumen im Obstgarten. Er kannte den Gang des Arbeitstages in ihnen und dachte an Erlebnisse, die er in jedem dieser Häuser gehabt hatte. Bei der »Spinne«, der sich, wie die Leute sagten, »kaputt trank«, standen hinten im Garten, dicht am Heckenzaun, zwei Birnbäume; und Flachskopf war dort auch eines Tages aufs Dach geklettert, um Trauben zu pflücken, war hinuntergepurzelt und auf dem Misthaufen gelandet, ohne sich weh zu tun.
Bei Jef Laar hatte er an einem dunklen Sonntagabend mit Stanne Pul den Schweinestall aufgemacht. Die Schweine waren herausgekommen, hatten sich die ganze Nacht im Garten aufgehalten und alles umgewühlt. Gegen Morgen war eines der Schweine bei Bernades in den Garten eingedrungen, hatte die Bienenkörbe umgeworfen und dann so schrecklich angefangen zu quieken, daß alle Leute in der Nachbarschaft wach geworden und im nächtlichen Aufzug herbeigeströmt waren. Eine Woche später war die Sache ruchbar geworden, weil Stanne Pul es dem Fred erzählt hatte, der bei Bernades die Kühe hütete. Flachskopf hatte dann von seinem Vater eine tüchtige Tracht Prügel bekommen, und seitdem wagte er nicht mehr, an Bernades’ Haus vorbeizugehen. Jan Broos besaß einen Kampfhahn, und Flachskopf hatte eines Tages diesem Hahn einen Regenwurm zu fressen gegeben, den er an einem dünnen Eisendraht befestigt hatte, und dann den Draht angezogen, so daß der Hahn fürchterlich zu jappen anfing, die Augen schloß und den Schnabel weit aufsperrte, bis der Draht wieder herausgesprungen war... Ein anderes Mal hatte er dort mit Locke und Sander Broos gespielt. Flachskopf hatte mit einer alten Kohlenschaufel nach einem Spatz geworfen, der auf einem Baume saß, und die Schaufel war Locke auf den Kopf gefallen. Da hatten die beiden eine Stunde lang wütend miteinander gekämpft, bis Locke, nach einem wuchtigen Schlag unters Kinn und einem gegen die Nase, angefangen hatte zu heulen. Vier Tage lang hatten sie damals nicht zusammen gesprochen.
Flachskopf pfiff Max, der drüben zwischen den Bäumen herumschnüffelte und, blasend und prustend von
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