Flachskopf
dem heißen Pfeffer in seinem Mittagessen, den Kopf schüttelte und die Zähne zeigte. Folgsam kam er ihm nachgelaufen.
Flachskopf ging langsam weiter, und der heiße Sand brannte ihm unter den nackten Füßen. Seine Hand spielte in seiner Hosentasche mit den vier Groschen, und seine Finger waren klebrig feucht vom Schweiß. Er hatte die vier glänzenden Nickelstücke schon wiederholt auf die offene Hand gelegt und betrachtet. Er zauberte sich eine ganze Reihe von herrlichen Dingen vor den Geist, die er sich damit anschaffen würde. Diesmal würde er bestimmt eine Angelschnur kaufen, morgen, bei Jan Vos auf dem Markt... Die hatte er sich schon lange gewünscht. Eine starke Angelschnur mit einem langen Kamelshaar und einem kleinen Haken. Fragte man ihn zu Hause, wo er die her hätte, dann würde er sagen, er habe sie gefunden. Und warum sollte man die überhaupt zu sehen bekommen? ... Eine sehr schöne Angelschnur, mit einer weißen Feder und auf ein Brettchen gewickelt... eine, mit der man Brassen fangen könnte...
Flachskopf fühlte sich überaus glücklich. Er hatte den ganzen langen Nachmittag vor sich, frei, in der Sonne, auf Wiesen und in Wäldern, ohne die erbärmliche Schule oder die ebenso öde Arbeit zu Hause, und mit diesen Schätzen in der Tasche! ... Er hätte jubeln mögen vor überwältigender Freude und fing an zu laufen, weil er seine Gefühle nicht beherrschen konnte.
Hinter Gieles Haus schlug er einen Fußweg ein, der durch den niedrigen Tannenwald zum Mühlenteich führte. Er wählte diesen Weg, weil er hoffte, hier Dabbe und Locke zu treffen, die sich am Morgen von einem Elsternest am Mühlenteich unterhalten hatten. Tatsächlich fand er seine beiden Kameraden im Grase hinter den grünen Akazienbüschen liegen.
»He, Flachskopf, wo gehst du hin ?«
»Ich muß bei Herrn Boon etwas von zu Hause ausrichten... Seid ihr schon lange da ?«
»Nein, eben gekommen... Wir wollten ein Elsternest ausnehmen, aber es ist heruntergeworfen .«
»Heruntergeworfen? Wo?«
»Drei Bäume hinter der kleinen Kapelle... Franz Piekes hat es getan .«
»Der Affe! Der ist auch zu ängstlich, um auf einen Baum zu klettern... Was wollt ihr heut nachmittag machen ?«
»Ich möchte im Gemeindebach schwimmen«, sagte Dabbe.
»Da ist unser Vater beim Huen«, antwortete Flachskopf und erschrak bei dem Gedanken, daß er vielleicht würde helfen müssen, wenn ihn sein Vater zu Gesicht bekäme.
»Ich weiß noch ein Hummelnest«, sagte Locke, »auf Hahns Wiese... Wollen wir das ausrauben ?«
»Ja! ja !« riefen die beiden andern, und Flachskopf fügte hinzu:
»Ich werde gleich durch die Wiese kommen, dann bin ich noch zeitig genug da, ihr braucht euch nicht zu beeilen .«
»Gut ,« sagte Locke, »es sind braune!«
Flachskopf machte sich eiligst auf den Weg. Durch den Wald kam er bald auf die Straße nach Averbode, wo Herr Boon wohnte. Kein Mensch war auf der Straße zu sehen, die grau schimmernd in den senkrechten Sonnenstrahlen dalag. Doch da trat ein weißer Benediktiner der Abtei aus dem Wald, und als Flachskopf an ihm vorüberging, nahm er seine Mütze ab, in der Hoffnung, eine Zigarre oder ein Geldstück zu bekommen. Aber der Benediktiner nahm ebenfalls nur den Hut ab und schritt weiter, eifrig sein Brevier betend und pustend vor Hitze... Er bemerkte das Verlangen in Flachskopfs Augen nicht, und dieser blickte sich nach einigen Schritten noch einmal um, in der stillen Hoffnung, daß der Benediktiner vielleicht umkehren und ihm doch noch eine Zigarre oder ein Geldstück geben würde. Aber der ging weiter, und Flachskopf tat dasselbe, nachdem er sich noch einmal von dem Vorhandensein seiner vier Groschen überzeugt hatte.
Vor der Wohnung des Herrn Boon angekommen, trocknete er sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht, rieb sich an den Hosenbeinen den Sand von den Füßen, blickte einmal schüchtern an dem hohen Hause aus rotem Backstein empor, überlegte, was er wohl bekommen würde, und klingelte.
Die braungestrichene Haustür öffnete sich, und ein Mädchen mit einer weißen Schürze stand vor ihm.
»Fräulein ,« sagte Flachskopf und nahm seine Mütze ab, »Herr Boon ist wohl nicht zu Hause?«
Als Flachskopf geklingelt hatte, war auch Max vor der Tür stehengeblieben, neugierig, was an diesem fremden Hause geschehen würde. Und als die Tür aufging, zog er sich ein wenig zurück und blickte schüchtern durch den langen, weißleuchtenden Gang. Plötzlich sah er eine Katze am Ende des Ganges... Und ohne
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