Flachskopf
hörte er Heini, der die Sense dengelte, die kurzen Schläge aufs Metall summten eintönig und gleichmäßig ums Haus.
»Bengel, wo hast du wieder so lange gesteckt ?« fragte seine Mutter, »warst wohl wieder schwimmen?«
»War nicht schwimmen... guck her, meine Haare sind ganz trocken .« Die Mutter sagte nichts mehr, sprang aber plötzlich auf ihn zu und griff ihn beim Ohr.
»Zeig mal deine Taschen !«
Flachskopf fing an zu schreien. Alles war entdeckt! Er wehrte sich nach Kräften und versuchte sich freizumachen, aber vergebens. Ihre Hand tauchte sofort in seine Hosentasche und holte die Nickelstücke daraus hervor. Die Mutter kannte Flachskopfs Taschen alle ganz genau.
»Sag mal, wo kommt das Geld her ?« Sie hielt ihn fest beim Ohr.
Flachskopf schrie als Antwort: »Auweh! ... Auweh! ... Auweh! ...«
»Wo kommt das Geld her ?« klang es drohend.
»Von Herrn Boon gekriegt! Auweh! Mädchen!«
»Nis ,« rief nun die Mutter, »geh mal sofort zu Herrn Boon und frage, ob das wahr ist.«
»Ja«, rief Nis aus dem Hinterhaus.
»Aber drei«, jammerte Flachskopf.
»Nis, willst du nun gehen ?«
»Aber zwei!«
Seine Nachgiebigkeit war zwecklos. Die Mutter ergriff plötzlich einen Stock, der in einer Ecke bereitgestellt zu sein schien, und nun bekam er eine Tracht Prügel, die ihn alle Zigarren und Groschen vergessen ließ. Er heulte, daß es durch das ganze Haus hallte, und jammerte: »Ich wills nicht wieder tun! Ich wills nicht wieder tun !«
Heini hielt einen Augenblick im Dengeln inne und fragte Nis, ‚weshalb Flachskopf so sänge’! Max stand in der offenen Tür und guckte, ob er vielleicht auch hier eingreifen sollte, und begriff nicht, was das mit Flachskopf zu bedeuten hätte; aber jetzt geschah es in der eigenen Familie, und mit hängendem Kopf und eingezogenen Ohren schlich er in seine Hütte.
F lachskopf lag im Dunkeln in seinem Bett. Drinnen in der Wohnstube hörte er das Klirren der Löffel und Gabeln auf den Tellern. Nachdem er auf den nackten Knieen zehn Vaterunser vor dem Kruzifix über dem Kamin gebetet hatte, war er ohne Essen ins Bett geschickt worden.
Am Bein fühlte er noch eine wunde Stelle, die von Mutters Stock herrührte. Donnerwetter! Diesmal war es ihm aber dreckig gegangen! Daß ihm auch alles schiefgehen mußte... vom frühen Morgen ab... Zigarren los... Geld los... und morgen wieder in die Schule... und Dabbes Hose... Wenn er das nächste Mal etwas stibitzen könnte, dann würde er es besser verstecken... Und Flachskopf schlief.
Von dem Bekenntnis der Sünden
A n diesem Samstag war Flachskopf früher aufgestanden als gewöhnlich. Am nächsten Tag war die große jährliche Prozession des heiligen Viktorius, und zu diesem Feiertag mußten auch die Kinder, die ihre Erste Kommunion noch nicht gehalten hatten, zur Beichte gehen.
Beichten war in Flachskopfs Augen etwas sehr Wichtiges, einerseits wegen des allwissenden Gottes, der also auch alle verborgen und von seinem Vater unbestraft gebliebenen Missetaten kannte, aber sie durch den Mund des Beichtvaters gegen eine Reue vergab und vergaß, und anderseits, weil es ihm eine ausgesprochene Angelegenheit für Erwachsene schien. Wenn seine Mutter zur Beichte ging, dauerte das immer ein paar Stunden, und wenn sie dann nach Hause kam, hatte sie ein Gesicht, als wäre ihr der Heilige Geist in höchsteigener Person irgendwo begegnet. Abends gab es dann Kaffee und Zucker, und hinterher wurde der Rosenkranz gebetet, wobei sein Vater gewöhnlich einschlief und fürchterlich schnarchte, bis das Gebet zu Ende war.
»Was machst du immer so lange im Beichtstuhl ?« hatte er seinen Vater einmal brummig fragen hören.
»Was ich tun muß ,« gab die Mutter zur Antwort, »ich kann das nicht so herunterleiern wie die Mannsleute!«
»Sündigst du denn so viel ?«
»Das geht dich gar nichts an, — ich sündige überhaupt nicht !«
Als Flachskopf diese Erklärung hörte, dachte er einen Augenblick — aber nur einen einzigen Augenblick —, daß seine Mutter vielleicht eine Heilige sein könnte. Diese Illusion verschwand sofort, als sie ihn kurz darauf bei der Zuckerdose erwischte.
Flachskopf wusch an diesem Morgen die Hände und das Gesicht mit Seife, und seine Mutter guckte dann noch einmal nach, ob auch seine Ohren sauber wären. Er setzte sich an den Tisch, betete mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen ein Vaterunser und verzehrte dann ruhig seine Butterbrote.
Als er wegging, rief ihm Nis aus der Scheune zu: »Vergiß nicht,
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