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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
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im Speicher verschwand. Von Dorus war jedesmal nur eine ausgestreckte Hand und ein Stück graubestäubter Ärmel zu sehen. Während Fox in Hemdsärmeln über die Säcke gebeugt dastand, betrachtete Flachskopf seinen Rücken. Seine Weste war schmutziggrau vom Schweiß durchzogen, sein blaugestreiftes Hemd straff gespannt zwischen Weste und Hosenband, und sein Hosenkreuz glänzte schwarz wie eine Ofenplatte. Flachskopf bekam plötzlich einen Einfall... Fox hatte gerade seine Not mit einem Sack, der nicht leicht schließen wollte, das Seil kam herunter, Flachskopf ergriff den kleinen Haken, schob ihn unter die Schnalle von Foxens Hosenband und rief: »Hupp !«
    Das Seil spannte sich, Fox schlug fürchterlich mit Händen und Füßen durch die leere Luft, baumelte einen Meter über der Erde und fluchte, daß man es am Bahnhof hören konnte. Die Schnalle brach, und mit einem dumpfen Schlag fiel Fox zu Boden. Flachskopf hatte seine Holzschuhe in die Hand genommen und sauste über die Demerbrücke, was die Beine hergeben wollten. Er lief in einem Atemzug bis nach Hause.
    Beim Mittagessen brachte er keinen Bissen hinunter, vor Angst, daß mit Fox etwas Schlimmes geschehen sein könnte... ein Bein gebrochen... vielleicht tot. Er hörte fast nichts von dem, was sich die andern bei Tisch erzählten, und blickte fortwährend durch die offenstehende Tür die Straße hinauf, gleichzeitig wünschend und fürchtend, daß Fox daherkäme. Der Schweiß stand ihm in dicken Tropfen auf der Stirn, und sein Herz klopfte gewaltig...
    »Was hast du denn ,« fragte sein Vater, »bist du krank?«
    »Nee ,« antwortete Flachskopf, »das macht die Hitze.«
    »Das macht die Beichte ,« sagte Heini, »was hast du als Buße bekommen, Flachskopf?«
    »Den Kreuzweg...« Da sah Flachskopf über die Gartenhecke hinweg Fox mit hastigen Schritten daherkommen, er ließ augenblicklich alles stehen und liegen und war im Nu durch die Hintertür verschwunden.

Flachskopfs fromme Seiten

    S o war allmählich für Flachskopf die Zeit gekommen, da er an seine Erste Kommunion denken mußte. Der Vikar hatte am Sonntag von der Kanzel herab bekanntgegeben, daß die Kinder »vom ersten Jahr« fortan zweimal in der Woche in die Kirche zum Religionsunterricht kommen sollten, um sich für die Erste Heilige Kommunion vorzubereiten. Seine Mutter brachte die Nachricht aus der Frühmesse mit, und während sie die Mütze absetzte, sagte sie zu Flachskopf, der in Hemdsärmeln die Schuhe putzte: »Zum Katechismus gehen in Zukunft, hörst du... dreimal in der Woche, der Vikar hat es gesagt... verstanden ?« Sie sagte es in einem etwas drohenden Ton, im voraus davon überzeugt, daß ihr jüngster Sohn sich nicht so ohne weiteres diesem kirchlichen Gebot fügen und daß es noch viel Mühe kosten würde, bis sie ihn so weit hätte. Flachskopf hatte sie einen Augenblick angeguckt, seine Bürste beiseite gelegt und sich mit dem Hemdsärmel die Nase geputzt. Er stieg gewaltig in seiner eigenen Achtung, weil es diesmal ihn selbst betraf. Die Erste Kommunion, die ihm von weitem eine Reihe glänzender Sonntage zu sein schien, mit einem neuen Anzug, Hut, Handschuhen und Gebetbuch, und zwei Wochen lang keine Schule, machte doch einen tiefen Eindruck auf sein Gemüt. Sie war ein Glanzpunkt im Leben der Knaben, und sie allein waren die wahren Helden der Feier. An diesem Sonntag hatten sie alle in der Kirche auf der Knabenbank sehr ernst zugehört, als der Pfarrer es noch einmal bekanntgab, und nachher hatten sie untereinander ausgerechnet, wer in diesem Jahr daran war und wer nicht.
    Fragte man Flachskopf um diese Zeit, wie alt er wäre, dann antwortete er nicht mehr: »Ich werde zehn Jahr«, sondern:
    »Ich bin schon im ersten Jahr«, und die Leute in Sichem wissen alle ganz genau, was das heißt. Fompe, Locke, Tjeef, Dabbe und Flachskopf gehörten alle zum ersten Jahr, und sie glaubten an diesem Sonntag, daß sie braver und ruhiger sein müßten, in Erwartung der kommenden Feierlichkeit.

    Was Flachskopf in der Angelegenheit seiner Ersten Kommunion besonders am Herzen lag, war die Frage, ob er zu diesem schönen Festtag einen neuen Anzug bekäme oder ob er sich mit dem Anzug begnügen müsse, den Heini und nach ihm Nis schon bei gleicher Gelegenheit getragen hatte und der nun sorgfältig in der linken Ecke des Kleiderschranks für seine eigene Erste Kommunion aufgehoben wurde. Wenn Flachskopf darüber nachdachte, war ihm der ganze Spaß an der Sache verdorben. Er haßte in jenen Tagen auf

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