Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
Vom Netzwerk:
wohnten und wo sie schon früher welche ausgeraubt hatten. Flachskopf erzählte von einer Wespe, die ihn früher einmal, im Eichenwäldchen hinter ihrem Hause, gestochen hatte, und daß ein Pferd von drei Wespenstichen am Kopf tot umfallen könne. Locke wußte von einer Pferdehummel zu berichten, die bei Sanders in einer Mauer hauste, und daß Pferdehummeln die gewaltigsten Stacheln hätten, fast so lang wie ein Finger. Dabbe versicherte, daß ihn einmal eine Biene auf die Nasenspitze gestochen hätte und daß seine Nase davon so angeschwollen wäre, daß man kaum noch etwas von seinem Gesicht gesehen hätte, worauf Flachskopf erklärte, daß eine Nase wie die von Dabbe dazu nicht übermäßig anzuschwellen brauchte. Sie hatten sich lang ausgestreckt auf die Wiese fallen lassen. Dabbe lag auf der Seite, den Kopf auf die linke Hand gestützt; Locke daneben, flach auf dem Bauch und das Kinn auf den übereinandergeschlagenen Armen; Flachskopf auf dem Rücken, die Kniee hochgezogen und die Mütze auf dem Gesicht, der Sonne wegen. Etwas abseits saß Max, einsam und wehmütig gestimmt durch all die jämmerlichen Ereignisse dieses Nachmittags, und blickte nachdenklich über die Wiesen hin. Hoch darüber brannte die weiße Sommersonne mit einem blendenden Glanz im gleichmäßigen Blau der weitgespannten Himmelskuppel. Sie wandte sich langsam dem Westen zu.
    »Von hier aus kann man gerade Huibrechts Garten sehen«, sagte Locke, »und das Dach von Tonis Haus .«
    »Von Victalis Haus, jawohl, aber nicht von Tonis«, und Dabbe hob ein wenig den Kopf und blickte in dieselbe Richtung.
    »Wer ist das dort mit dem Wagen auf der Straße ?« fragte Flachskopf und richtete sich halb auf.
    »Der Viehhändler aus Diest, der jeden Donnerstag kommt.«
    Sie lagen eine Weile ruhig da, ohne zu sprechen. Hoch über ihren Köpfen hielt eine Lerche ihre Predigt, Flachskopf konnte sie mit einem Auge durch ein Loch in seiner Mütze sehen.
    »Flachskopf, wenn man deine Haare so in der Sonne sieht, dann sehen sie genau aus wie eine Weißbürste«, sagte Locke lachend.
    »Und deine genau wie Kupferdraht«, gab Flachskopf gereizt zurück, indem er auf Lockes rote Haare anspielte. »Lieber Kupferdraht als eine Weißbürste.«
    »Ich hau dir gleich ein paar runter, dann weißt du sofort, was von beiden das beste ist .«
    »Leichter gesagt als getan ...« Aber Locke zog es doch vor, zu schweigen, denn er war Flachskopf nicht gewachsen.
    »Gestern nacht hat Wannes Raps ein Gespenst gesehen«, sagte Dabbe plötzlich, und er richtete sich ganz auf bei der Erinnerung an den gruseligen Bericht von Wannes.
    »Ein Gespenst! ... Wo ? ...«
    »Am Galgenberg, es war genau wie ein Mensch, aber mit einem Totenkopf und einem weißen Laken .«
    »Dort spukt es jede Nacht, weil die Leute früher dort gehängt wurden«, sagte Flachskopf... »Ich habe dort einmal eine Schnur gefunden, an der einer gehängt worden war .«
    »Woher kannst du das wissen ?«
    »Nun... da klebten noch Haut und Haare dran...«»Gespenster gibt es nicht... Wannes lügt ,« erklärte Locke, »denn sonst würde er nachts dort nicht hingehn.«
    »Ja, aber Wannes hat etwas in seiner Tasche, wodurch die Gespenster keine Gewalt über ihn haben .«
    »Und wenn du zu einem Gespenst sagst: ,Bist du Gottes, so sprich; bist du des Teufels, so weiche’, dann kann es dir auch nichts antun.«
    »Hast du Wannes schon sein Gebet gegen Hexen sagen hören ?«
    »Ist das vielleicht das Johannesevangelium ?«
    »Nee, Tist Hase kennt das Johannesevangelium, und das ist ganz anders .«
    Sie blieben eine Weile ruhig liegen, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Dabbe pfiff die Melodie eines Liedes, Flachskopf versuchte, ob er sich mit der Zehe an der Nase kratzen könnte und ob die ganze Mütze in seinen Mund hineinging. Locke hatte vor sich hin gesungen und sagte plötzlich: »Der Turm von Babel .«
    »Sollen wir das Kapitel morgen kennen ?« fragte Flachskopf.
    »Nee, das fiel mir bloß so ein .«
    Stille... Aus der Ferne, hinter dem Testelberg hervor, kam ein Zug angebraust; ein tiefdröhnendes Summen erfüllte das ganze Tal, und drei gellende, schrille Dampfpfeifentöne durchschnitten die leere Luft. Sie blickten flüchtig hin, wie zu etwas, das einer fremden, unendlich weit abgelegenen Welt angehörte.
    »Es ist halb vier...«
    »Bist du schon mal mit dem Zug gefahren, Locke ?«
    »Ja, schon zweimal.«
    Locke pfiff einen Militärmarsch.
    »Sag, Flachskopf, weißt du, was ,libertü’ heißt... es ist

Weitere Kostenlose Bücher