Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Claes
Vom Netzwerk:
der Welt nichts so sehr wie diesen schwarzen Anzug, der ganz aus der Mode war; und wenn Flachskopfs Vorbereitung zum Empfang des heiligen Sakramentes nicht mit den gewünschten guten Absichten und der erforderlichen Demut verbunden war, so war einzig und allein dieser altmodische Anzug daran schuld, der als eine beständig drohende Gefahr im Kleiderschrank hängen blieb.
    Auf den ersten Blick schreckten die zwei Jahre Religionsunterricht Flachskopf doch ein wenig ab. Aber einerseits kamen die Knaben zu Pfarrer Münze, der es nicht so genau nahm und sich mit den gewöhnlichen Gebeten und den Sünden begnügte, anderseits machten sie schnell die Erfahrung, daß die Sache nicht einmal so langweilig war. Ein Viertel vor acht fing der Religionsunterricht an, und um halb acht waren sie schon alle in der Kirche. Dann war dort niemand mehr. Sie schlugen die Holztür mit einem lauten Knall hinter sich zu, der hohl durch den Kirchenraum dröhnte. Ihre Holzschuhe klapperten über die harten Steinfliesen, und wer als erster eintrat, fand es hier so unheimlich, daß er sofort wieder hinausging und vor dem Kirchenportal wartete, bis die anderen da waren. Oft, bei schönem Wetter, spielten sie draußen vor der Kirche, bis der Pfarrer kam. Die Kirchhofsmauer bot reichlich Gelegenheit für allerlei Übungen, bei denen Flachskopf natürlich die Hauptrolle spielte. Am liebsten aber hielten sie sich in der Kirche selbst auf. Im Glockenhaus schaukelten sie am Seil der großen Glocke, stiegen auf die Empore und traten den Blasebalg der Orgel. An die Orgel selbst wagten sie nicht zu rühren, weil man es draußen hören konnte. Von dort aus stiegen sie auch manchmal noch höher, um aus den Schallöchern zu gucken oder Käuzchen und Spatzen zu suchen; aber das wagten nur die Kühnsten, wie Tjeef und Flachskopf. Ein anderes Mal trugen sie die Stühle von Leuten, die sich in der Kirche einen eigenen Stuhl halten, von links nach rechts, hinter einen Pfeiler, auf die erste oder letzte Reihe, je nachdem die Eigentümer hinten oder vorn saßen, so daß die Leute am nächsten Sonntag, zum großen Spaß der Bengel, in der Kirche hin und her liefen, um ihre Stühle zu suchen. Ein besonderes Vergnügen war folgendes: die zwei Spitzen einer Schreibfeder wurden abgebrochen und mit der Spitze nach oben auf dem Sitz eines Stuhles befestigt. Dann geschah es nicht selten am Sonntag in der Frühmesse, daß gläubige Christen, die sich arglos niedersetzten, um in Ruhe der Predigt zu lauschen oder ein Schläfchen zu halten, mit einem Ruck wieder aufsprangen, sich an die Hose griffen und dann auf dem Sitz des Stuhles herumtasteten, bis sie die heimtückischen Dinger gefunden hatten. Dem Straßenwärter war es auch einmal so ergangen. Nachdem er mit einem halb verhaltenen »Verdamm...« aufgesprungen war, hatte er Locke, der auf der Bank hinter ihm in seinem Gebetbuch die »Litanei der Märtyrer von Gorkum« las, eine schallende Ohrfeige gegeben. Locke war aus seiner frommen Geschichte erschrocken aufgefahren und hatte heulend die Kirche verlassen. Erst nach der Messe erfuhr er, warum ihm der Straßenwärter die Maulschelle verabreicht hatte. Und es war doch Dabbe gewesen, der es getan hatte! Zu jener Zeit war es ratsam, wenn man sich Sonntags in der Messe bei der Predigt setzen wollte, erst mit der Hand den Stuhlsitz abzufühlen, was damals auch fast alle Sichemer taten. Nur die Nonnen taten es nicht, die hatten ohnehin genügend Röcke an. Ihre Stühle wurden in Ruhe gelassen, wie auch der des Lehrers; dieser aber aus anderen Gründen.

    Auf die Kerzenstummel wurde eifrig Jagd gemacht. War die Kerze noch ziemlich lang, dann wagten sie nicht, sie wegzumausen; war sie dagegen zu weit abgebrannt, dann lohnte es der Mühe nicht mehr. Während des Hochamtes folgten ihre Blicke mit frommer Anteilnahme den Kerzen, die auf dem Altar Unserer Lieben Frau, vor dem Bild des heiligen Antonius und dem Reliquienschrein des heiligen Viktorius brannten. Die Schwester Oberin hatte einmal zu Fompes Vater gesagt, daß sein Sohn während des Hochamtes sehr andächtig das Bild der Mutter Gottes zu betrachten pflegte. Fompes Vater hatte über die Worte der ehrwürdigen Mutter sehr gestaunt und Fompe selbst nicht weniger. Am folgenden Sonntag blickte er mit noch gottesfürchtigerem Verlangen nach den Kerzen auf dem Altar. Um zu verhüten, daß diese zu weit abbrennen könnten, schlichen sie sich manchmal nach dem Hochamt noch einmal in die Kirche und bliesen sie aus. Am Montagmorgen

Weitere Kostenlose Bücher