Flachskopf
ans Ufer und ließ sich ins hohe Gras fallen. Die andern folgten, und bald lagen sie im Kreise, die Köpfe zusammen, und die Sonne brannte auf ihre nackten Körper. Arturs Blase trocknete auf seinem Rücken. Etwas abseits lagen ihre Kleider, sechs kleine Häuflein, wild durcheinander geworfen. Sie brachten die Butterbrote zum Vorschein; denn die vergaßen sie nicht, wenn sie baden gingen. Das Wasser macht hungrig. Dabbe langte aus seiner Tasche zwei aufeinander geklebte Roggenbrotschnitten, aus denen der Quark nach allen Seiten herausquoll. Er leckte erst ringsherum den weißen Rand ab, machte dann die Schnitten auseinander, legte eine neben sich ins Gras und biß tüchtig in die andere, so daß zwei weiße Quarklinien von den Mundwinkeln nach den Ohren liefen. Flachskopf, dessen Butterbrot sehr trocken geworden war und der mit seinen Birnen prahlte, mußte lachen, als er Dabbe sah.
»Es ist gerade so, als hättest du seit acht Tagen nichts mehr zu essen bekommen«, sagte er. »Von dem Huhn hast du wohl heute mittag nicht viel abgekriegt, was ?«
»Es sind nicht alle Trocken-Brot-Fresser wie du ,« mummelte der andre mit vollen Backen, »weil du nur Fett auf deiner Schnitte hast, was?«
»Nein, Butter ,« wehrte sich Flachskopf gegen diese Beleidigung, »ich habe sie selbst geschmiert!«
Dabbe biß nochmals tief in sein Quarkbrot, und Flachskopf, durch die freche Antwort wütend geworden, schlug plötzlich das Brot gegen Dabbes Gesicht, drückte noch einmal fest darauf, und als der unglückliche Dabbe die Schnitte wegnahm, war sein ganzes Gesicht, bis ins Haar, ein einziges Käsepflaster, es klebte in seinen Augen und unter seinem Kinn, und von seiner Stumpfnase war fast nichts mehr zu sehen.
Das ergötzliche Aussehen Dabbes rief bei den andern einen so unbändigen Lachkrampf hervor, daß sie nicht mehr weiteressen konnten und sich im Grase wälzten. Dabbe starrte mit Wespenaugen auf Flachskopf, der sich sicherheitshalber etwas zurückgezogen hatte. »Dabbe ,« sagte Tjeef, der an einer trockenen Kruste kaute, »ich ge... gebe einen Groschen, we... we... wenn ich, ver... verdammt! dein Gesicht a... a... ablecken darf .«
»Wer viel Quark ißt, soll gut pfeifen können ,« lachte Locke, »nun pfeife uns mal was vor, Dabbe!«
Aber Dabbe hatte weder Lust, sein Gesicht ablecken zu lassen noch zu pfeifen. Am liebsten hätte er Flachskopf zerrissen. Bestürzt betrachtete er eine Weile seine Schnitte, die ins Gras gefallen war, wischte dann schweigend den Quark vom Gesicht und leckte seinen Finger ab. Das Lachen der andern wirkte außerdem so ansteckend, daß er plötzlich auf Fompe zusprang, ihm seine fettige Schnute an den Hals rieb und dann in den Bach sprang. Fompe stürzte ihm nach, und im Wasser balgten sie sich noch eine Weile herum, bis ihre Gesichter wieder sauber waren und sie zu ihren Kameraden auf der Wiese zurückkehrten.
Drüben auf der Landstraße fuhr ein Bierwagen. Dahinter schritten ein Junge und ein Mädchen. Artur erkannte seinen Bruder.
»Dort geht unser Fons mit seiner Liebsten«, sagte er zu den andern.
»Hat der auch schon eine Liebste ?« fragte Flachskopf. »Warum soll er denn keine Liebste haben ?« antwortete Artur. »...Und sie schenkt mir immer was, damit ich nichts sage. Am vorigen Sonntag erst habe ich einen Lebkuchen bekommen .«
»So eine Rotznase wie du weiß nicht einmal, was sie nicht sagen darf«, meinte Flachskopf überlegen.
»Unsere Lies«, mischte sich Dabbe ein, »hatte auch mal einen Liebsten; sie hatte ihm eine Tonpfeife gekauft mit einem Affen drauf... und dann wars aus .«
»D... d... das kann ich m... mir, ver... ver... verdimmich! denken«, sagte Tjeef mit philosophischem Ernst.
»Flachskopf ,« sagte Locke, »kannst du ganz rasch sagen: Fischers Fritz fischte frische Fische?«
Flachskopf gab sich Mühe, aber er versprach sich schon beim ersten Versuch. Keiner verfügte über eine genügende Zungenfertigkeit.
»Wer kennt dieses Rätsel«, rief Artur: »Es hängt an der Wand und gibt jedem die Hand ?«
»Ein Handtuch !« riefen sie alle. Artur war ein wenig betreten, weil sie die Lösung so schnell gefunden hatten. »Wer weiß denn dies«, schlug Dabbe vor: »Die Prozession geht vorüber, und am Wege springt ein Hahn auf ein Huhn. Warum macht er das ?«
Sie sahen alle gespannt auf Dabbes Gesicht, als würde da ein Wunder geschehen. Nein, das wußten sie nicht. »Nun ,« sagte Dabbe, »damit er die Prozession besser sehen kann.«
Sie kapierten es nur halb,
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