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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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schließlich etwas Normales auf einer Beerdigung. Ein kleines, kurzes Lächeln unter Tränen, das war alles, was er sich jetzt wünschte.
    Demaris jedoch, umgeben von der Trauergesellschaft, rührte sich nicht. Ihr goldener Kopf war Jonathan noch immer zugewandt, doch ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert, und obwohl sie immer tiefer errötete, hielt sie seinem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand. Ist das alles, was ich ihr wert bin? fragte er sich. Verlegenheitsröte, und sonst nichts? Seine Hoffnungen lösten sich auf.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass sich die Männer aus der Trauergemeinde lösten. Erst nur fäusteschüttelnd und dann laut schimpfend kamen sie auf ihn zu. Die Herren brauchten sich nicht zu bemühen, er würde Demaris nicht mehr damit belästigen, dass er ihr öffentlich den Hof machte.
    Grob zog er den Kopf seines Pferdes herum und drückte dem Tier die Hacken in die Weichen. Er wollte sich jetzt eine Taverne suchen und so viel Rum trinken, wie nötig war, um sich Demaris’ schönes Gesicht aus dem Herzen zu reißen.
    Doch während ein wenig später der Rum in Jonathans Kehle brannte, blieb ihm das Bild klar und deutlich vor den Augen stehen und verfolgte ihn weiter. Er sah, wie sie ihr Kinn zur Seite neigte, er sah ihr honiggoldenes Haar und wusste, wie es sich unter seinen Händen anfühlte. Er hörte wieder ihre berauschten kleinen Schreie, als er ihr die Freuden der Lust gebracht hatte.
    Er packte seinen Krug fester und fluchte leise vor sich hin. Hatte er tatsächlich angenommen, sie würde ihn über ihre Familie und ihre Freunde setzen? Was hatte er sich überhaupt vorgestellt? Dass er sie wie der Held einer alten Ballade auf seinem Sattel davontragen könnte?
    Gewiss, seine Geschichte war wohl geeignet für eine Ballade, doch eher für eine, in der es um Mord und Totschlag ging, und nicht für eine Romanze um eine liebreizende junge Witwe und einen umherziehenden Seefahrer. Über solche Lieder hatte er immer gelacht und gelegentlich sogar noch einen oder zwei Verse dazugedichtet. Nur konnte er jetzt nicht lachen. Demaris hatte zwar gesagt, sie brauchte ihn, er jedoch liebte sie. „Käpt’n Sparhawk?“, fragte der junge Mann unsicher von der anderen Seite des Tischs her und schaute Jonathan aus großen Augen an.
    „Kommt darauf an, wer das wissen will, du Grünschnabel“, antwortete Jonathan unwirsch. Ihm war nicht nach Gesellschaft zumute, und ganz bestimmt nicht nach der eines schüchternen Bürschleins. Er schätzte den Fremden zwar auf über zwanzig Jahre ein - immerhin spross ihm schon ein Bart, und ein wenig Brusthaar war in seinem Hemdkragen auch zu sehen -, doch der junge Mann war noch so ungelenk wie ein Knabe und hatte offenbar keine Ahnung, was er mit seinen viel zu großen Händen anfangen sollte.
    „Ihr seid es, Käpt’n Sparhawk, Sir!“, rief er und merkte vor lauter Begeisterung nicht, wie unfreundlich Jonathan ihm entgegenblickte. Hastig riss er sich den verbeulten, mit einer Truthahnfeder geschmückten Hut vom Kopf. „Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sähe, doch Ihr seid es tatsächlich, in voller Lebensgröße! “ Jonathan langte über den Tisch und packte den Jungen an dessen kurzer Matrosenjacke. Er zog ihn herunter, sodass sich ihre Augen jetzt auf einer Höhe befanden. „Halte dein vorlautes Maul, du junger Esel! Du magst meinen Namen kennen, doch deswegen musst du ihn noch lange nicht so laut brüllen, dass ihn die ganze Stadt hört.“
    Der junge Mann nickte stumm und ließ sich in die gegenüberstehende Bank gleiten. Seine Augen waren womöglich noch größer geworden. Mit einem leisen Fluch ließ Jonathan ihn los und lehnte sich an die Wand zurück. Besser dass ihn dieses Bürschchen erkannte als der Richter. Noch besser wäre es allerdings, überhaupt nicht erkannt zu werden.
    „Du weißt also, wer ich bin, ja?“
    „Sicher doch, so wie ich weiß, dass ich Tom Cooke heiße“, lautete die beleidigte Antwort.
    Dem Mann sei Dank, dass er seinen Namen genannt hat, dachte Jonathan, sonst hätte Tom nämlich gemerkt, dass sein Käpt’n nicht die geringste Ahnung hatte, wer vor ihm saß.
    „Ich habe schließlich für Euch gesegelt, seit ich ein kleiner Junge war, und das ist knapp sieben Jahre her“, fuhr Tom fort. „Unter jemand anderem habe ich nie gedient. Außer in den vergangenen Wochen, und das auch nur, weil ich Euch für tot hielt. Wie die anderen auch.“
    Jonathan bedeutete dem Tavernenwirt, einen

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