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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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geahnt, dass er hier Demaris Wiedersehen würde, wäre er nicht zurückgekehrt. Aufs Abschiednehmen hatte er sich noch nie verstanden, und diesmal, das wusste er genau, würde es wehtun.
    „Selbstverständlich bin ich zurückgekehrt. Ihr werdet Euch vielleicht erinnern, dass dies mein Haus ist“, begann sie. Jede Spur von Verletzlichkeit war jetzt aus seinem Gesicht gewichen, und Demaris’ Herz sank. Möglicherweise hatte sie sich auf dem Friedhof ja auch alles nur eingebildet, und mit Glück stellte sich heraus, dass der ganze schreckliche Tag gar nicht stattgefunden hatte. Vielleicht wachte sie gleich auf und merkte, dass alles nur ein böser Traum gewesen war.
    „Es sollte Euch nicht wundern, dass ich zu meinem Haus zurückkehre“, schloss sie.
    „Das war ja ein fabelhaftes Begräbnis.“ Er stellte das Gewehr neben die Axt. Demaris sah so müde und erschöpft aus, dass er sich sehr beherrschen musste, um sie nicht in die Arme zu nehmen. Vorhin hatte er sich das rote Halstuch um den Kopf gewunden, damit ihm nicht immer das Haar in die Augen fiel. Jetzt zog er es herunter und wischte sich damit das schweißnasse Gesicht. So konnte er wenigstens seine Hände beschäftigen, ohne Demaris zu berühren. „Ich möchte wetten, die ganze Stadt war anwesend.“
    „Evelyn besaß viele Freunde, und Roger hat aus geschäftlichen Gründen einen großen Bekanntenkreis.“ Demaris mahnte sich, diese kalte und unpersönliche Unterhaltung zu beenden, und ins Haus zu gehen. Stattdessen jedoch blieb sie stehen und hoffte gegen alle Vernunft, Jonathan würde wieder der Mann werden, den sie liebte.
    „Und dann erst der ganze Haufen ehrenwerter Quäker!“ Diese Worte taten ihm sofort leid, als er es in Demaris’ Gesicht schmerzlich zucken sah. Was tat er denn hier eigentlich? Er wollte doch nur auf Abstand gehen, und Demaris nicht gleich zerfleischen! „Haben die sich nicht sehr über Eure Anwesenheit gewundert?“
    Ihr kurzes Auflachen klang brüchig. „Nicht so sehr wie über Eure, Jonathan. Mein Skandal war bereits alt und abgestanden, doch Euch ist es gelungen, ihn mit Eurem Auftritt aufs Trefflichste wiederzubeleben. “
    „Ich mache eben nie halbe Sachen. Das müsstet Ihr doch inzwischen längst wissen. “
    „Jonathan.“ Sie schaute an seiner Schulter vorbei zum
    Stall und bemühte sich, das verräterische Zittern aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Falls ich Euch jemals auch nur den hundertsten Teil des Schmerzes angetan habe, den Ihr mir zufügt, dann tut es mir unendlich leid, und ich bitte um Eure Vergebung. Ich wollte nicht so lange fortbleiben, doch ich glaubte, ich würde dort gebraucht und es wäre schicklich, zu bleiben. Leider, ach Jonathan, Ihr hattet ja so recht mit Roger!“
    Sie weinte zwar nicht, doch er hörte ihr die Tränen an der Stimme an. Unwillkürlich legte er ihr einen Arm um die Schultern und zog sie zu sich heran.
    Mit einem Seufzer, der sich eher wie ein Schluchzen anhörte, legte sie ihre Wange gegen seine nackte Schulter. Demaris kam es so vor, als wäre Jonathan für sie zu einem Teil ihres Daheims geworden. „Nachdem wir vom Friedhof gekommen waren, hat Roger ... “
    „Ich gehe fort“, unterbrach sie Jonathan. Er wollte nichts über Roger hören oder darüber, wie traurig die Beerdigung gewesen war. Er wollte nichts mehr mit Demaris’ Angelegenheiten zu tun haben. „Noch heute Nacht. Noch vor dem Morgengrauen werden wir mit dem Hochwasser auslaufen.“
    „Oh. “ Langsam trat sie von ihm zurück. Sein Arm glitt von ihren Schultern, und die einzelne Silbe schien zwischen ihm und ihr in der Luft zu hängen. Demaris suchte in Jonathans Gesicht nach der Antwort, die sie bereits kannte.
    Dies war es also, was er ihr bereits in Newport hatte mitteilen wollen. Seit der Nacht, in der sie ihn am Strand gefunden hatte, war ihr bewusst gewesen, dass er sie einmal verlassen würde. Es war nur eine Frage des Zeitpunktes gewesen. „Oh“, sagte sie noch einmal.
    „Es wäre für Euch nicht gut, wenn ich bliebe, Demaris“, erklärte er rau.
    Er ertappte sich dabei, dass er sich ihr schwarzes Gewand anschaute, das wesentlich modischer geschnitten war als alles, was sie gewöhnlich trug. Französischer Farandine, aus Lyon, wenn er sich nicht täuschte, ein Gemisch aus Seide und Wolle, gewebt in auffälliger Köperbindung. Große Güte, wieso beschäftigte er sich jetzt mit ihrem Kleid?
    „Wir gehören nicht zueinander, und Ihr wisst das genauso gut wie ich“, sagte er schroff.
    Demaris

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