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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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glitten von seinem Nacken. „Nach dem, was soeben zwischen uns geschehen ist, traut Ihr mir noch immer nicht?“
    Er schüttelte den Kopf, und sein langes Haar strich dabei über ihre Wange. „O nein, Liebste, das ist es nicht“, antwortete er kummervoll. „Vielmehr traue ich mir selbst nicht. Ich liebe Euch, Demaris. Ich liebe Euch mehr, als ich es Euch sagen oder zeigen könnte. Doch wie kann meine Liebe jemals gut genug sein für eine Frau wie Euch?“
    „Ach, sie ist es doch, Jonathan.“ Sie zog seinen Kopf zu einem Kuss zu sich herab. „Sie ist genug und noch viel mehr.“ Ohne weiteres Wort entführte er sie aufs Neue in den Rausch des Liebesspiels, und abermals loderten die heißen Flammen der Leidenschaft hoch.
    Als Demaris lange Zeit später in seinem Arm eingeschlummert war, fragte sich Jonathan immer wieder, ob er sich in ihrer Liebe gefunden hatte, oder ob er für alle Zeiten unrettbar verloren war.
    Es war noch dunkel, als Demaris bemerkte, dass Jonathan fort war. Zwischen Schlafen und Wachen hatte sie sich gerekelt, nach ihm getastet und nur den Abdruck seines Körpers auf dem Bett gefunden.
    Sofort war sie hellwach, setzte sich aufrecht und zog sich die Tagesdecke über ihre Blößen. Nach einer Weile schüttelte sie ihre Panik ab und untersuchte die Stelle, wo er gelegen hatte. Die Laken fühlten sich kalt und klamm von der Seeluft an. Also hat er mich doch verlassen, dachte sie, genau wie er es angekündigt hatte.
    Beim Fenster sah sie eine Bewegung. Demaris stockte der Atem, doch dann erkannte sie Jonathans Profil im Mondlicht. Er hielt ihr Trauergewand hoch und rieb den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger.
    „Jonathan?“ Sie zögerte, weil sie noch nicht wusste, was sie eigentlich fragen wollte. „Seid Ihr ... gibt es etwas, das ich für Euch tun kann?“
    Er drehte sich nicht um und entschuldigte sich auch nicht dafür, dass er sie vermutlich geweckt hatte. „Wie seid Ihr zu diesem Kleid gekommen?“
    „Roger hat es für mich nähen lassen, weil ich es zu Evelyns Beerdigung tragen sollte. Er fand, meine eigene Kleidung ließe viel zu wünschen übrig, und wegen seiner Trauer hielt ich es für das Beste, seinem Wunsch nachzugeben.“ Inzwischen wusste sie natürlich, wie unaufrichtig Rogers Trauer gewesen war. Evelyn hatte gewiss Besseres verdient.
    „Der Gewandschneider hat wegen der Eile Einwände erhoben“, fuhr sie fort, „doch Roger versprach ihm das doppelte Geld, und so wurde das Kleid am Morgen der Beerdigung geliefert.“
    Sie umschlang die Knie und wartete. Sie verstand ja nicht viel von weltgewandten Männern, doch dieses Gespräch hier erschien ihr reichlich merkwürdig. Zweimal hatten sie sich in dieser Nacht geliebt, hatten sich gegenseitig ihre Liebe auch gestanden, und trotzdem wollte Jonathan jetzt über ein Gewand reden.
    Möglicherweise hegte er ja gegen die Garderobe, die sie für gewöhnlich bevorzugte, genau die gleiche Abneigung wie Eben. Das Kleid aus Farandine war zwar deutlich erkennbar ein Trauergewand, doch mit seinen langen, schwingenden Röcken und dem engen Miederteil war es wesentlich modischer als ihre übrigen Kleidungsstücke.
    Schönheit sollte aus der Seele kommen und nicht von bunten Seidenbändern, mahnte sich Demaris. Jonathan würde wahrscheinlich diese Quäkerregel nicht gelten lassen. Und warum sagte er nicht endlich etwas?
    Er strich mit den Fingern über die deutlich fühlbaren Kettfäden des Gewebes ...
    Focaults Laden befand sich in einer Gasse nahe den Docks von Bridgetown. Die Fenster waren so schmutzig, dass auch zur Mittagszeit kaum Sonnenlicht hereinfiel. Flusen von Seide, Wolle und Baumwolle tanzten in der Luft. Sie kamen von den in Leinwand eingeschlagenen Stoffballen, die sich hoch auf den Regalen des Franzosen stapelten.
    Focault musste erst einen dicken gelben Kater zur Seite schieben, um den Farandine auf der Tonbank ausbreiten zu können. Er wies darauf hin, wie elegant und gleichzeitig haltbar dieser Stoff sei, und dass er den Witwen Neuenglands gut anstünde. Er beklagte sich über die spanischen Marodeure, welche die Kosten in die Höhe trieben.
    Jonathan bestand jedoch auf einem angemessenen Preis für die Ware und kaufte dann von diesem Gewebe fünfzig Ellen zu Lasten des Kontos der Sparhawks.
    „Ich habe ihn überhaupt nicht gestohlen, Demaris“, sagte er glücklich, wenn auch ein wenig verstört. „Ich habe dafür bezahlt, oder doch wenigstens auf meinem Konto anschreiben lassen. Das ist doch dasselbe, nicht wahr?

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