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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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schlug die Bettdecke zurück und kleidete sich eilig an. Er war sicherlich nach Newport gegangen, um dann mit dem ersten Schiff zu segeln, das ihn anheuern würde. Auf irgendeine Weise musste sie ihn finden, bevor er abreiste. Wenn er ihr dann ins Gesicht zu sagen vermochte, dass er sie nicht mehr liebte und dass für sie in seinem Leben kein Platz mehr war, dann würde sie ihm glauben, nicht jedoch früher.
    Es war selbstverständlich ein Glücksspiel, doch sie musste das Risiko eingehen. Er hatte zuerst „Liebste“, „Süße“ und „meine geliebte Demaris“ geschrieben, bevor er es wieder ausstrich, und einige wenige Stunden zuvor hatte er versichert, dass er sie „am meisten geliebt“ habe.
    Plötzlich schwindelte es ihr ein wenig. Sie hielt sich am Bettpfosten fest, bis der Anfall vorüber war. Trotz aller Eile musste sie sich unbedingt die Zeit nehmen, etwas zu essen, oder sie würde nachher auf der Landstraße womöglich noch ohnmächtig umsinken.
    Was immer auch geschehen mochte, sie wollte weder mit Tränen noch mit Flehen versuchen, seinen Entschluss zu ändern. Nein, sie wollte ihm nicht einmal das Einzige erzählen, das seine Entscheidung sicherlich umstoßen würde, das Geheimnis, das sie in den vergangenen Wochen für sich behalten hatte, weil sie erst ganz sicher sein wollte.
    Sie wollte, dass Jonathan aus freien Stücken zu ihr zurückkehrte, weil er sie liebte, und nicht, weil er der Vater ihres ungeborenen Kindes war.

14. Kapitel
    Es bereitete Jonathan keinerlei Mühe, Tom Cooke in Newport aufzutreiben. Er traf den Jungen in derselben Taverne an, wo er ihm beim ersten Mal begegnet war, nur diesmal fand er ihn in einem wesentlich schlechteren, wenn auch wesentlich berauschteren Zustand vor.
    Tom hatte seine Kameraden verloren, und in seinen Taschen herrschte absolute Ebbe. Jonathan bezahlte seine Zeche und schleppte ihn auf die Thames Street hinaus.
    Mitternacht war längst vorüber und selbst hier, in so unmittelbarer Hafennähe, waren die Straßen leer, wenn man von den Katzen, Ratten sowie einer Handvoll Matrosen und Lehrjungen absah, die ihren Heimweg nicht fanden. Es gab also nicht viel Publikum für Toms lauten und fröhlichen, wenn auch recht misstönenden Gesang.
    Jonathan steuerte den jungen Mann in Richtung Hafen und der einzig sicheren Methode entgegen, mittels derer er seinen ehemaligen zweiten Maat wieder ernüchtern konnte.
    „Das ist wie in alten Zeiten, Käpt’n Sparhawk. Ihr kommt und holt mich auf die,Leopard“ zurück“, lallte Tom glücklich und stolperte auf den Strand zu. „Wir haben Euch fürchterlich vermisst, Käpt’n, besonders nachdem wir wussten, dass Ihr gar nicht wirklich tot wart. “
    „Gleich wirst du mich etwas weniger vermissen, Tom“, meinte Jonathan, „und noch weniger morgen früh.“ Damit packte er den Jungen am Kragen und stieß ihn mit dem Gesicht nach unten in das kalte Wasser, zog ihn wieder heraus und wiederholte das Ganze noch einmal.
    Nach dem dritten Untertauchen hatte Tom ausreichend Salzwasser geschluckt, um das Bier und den Rum in seinem Magen in Aufruhr zu versetzen, und als er mit dem Erbre-
    chen fertig war, schwitzte er mächtig, fühlte sich hundeelend, doch war fast wieder nüchtern.
    Jonathan leitete Toms wackelige Schritte den Strand hinauf zu einem Stapel Bauholz, das auf dem Kai lagerte. Der Junge sank darauf nieder und hielt sich den Bauch.
    „Du konntest noch nie mit Schnaps umgehen, Tom, und es sieht nicht so aus, als würdest du es jemals lernen.“ Jonathan setzte sich neben ihn auf die Bohlen. „Immerhin, wenn du genug Moneten hattest, um sie für Alkohol ausgeben zu können, dann muss man dich auf der ,Leopard' wohl recht gut bezahlen.“
    „Auf der,Tiger“ “, berichtigte Tom schwach. „ Sie heißt jetzt ,Tiger“, Käpt’n. Und sie haben ihr statt der Flecken Streifen aufgepinselt. Einer von den Newporter Dummköpfen, der, dem sie nun gehört, hat das gemacht. Den interessiert das einen feuchten Kehricht, dass es Unglück bringt, wenn man den Namen eines Schiffes ändert.“
    Unglück - wie viel Unglück soll ich denn noch haben? Jonathan dachte wieder an Demaris, daran, wie er sie zurückgelassen hatte. Sie hatte im Schlaf gelächelt. Einen im Mondlicht weiß schimmernden Arm hatte sie über ihrem Kopf auf dem Kissen liegen gehabt. Und dann dachte er an seine Ehefrau und an den kleinen Jungen mit dem schwarzen Haar und den grünen Augen, die seinen so glichen.
    „,Leopard“ oder,Tiger“, das ist mir

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