Flaming Bess 07 - Das galaktische Archiv
unsichtbaren Fäden, an denen du hängst, und du stehst auf und kleidest dich an. Du bewegst dich völlig natürlich. Niemand könnte an dir eine Veränderung feststellen, denn die Veränderung betrifft nur dein Bewußtsein, nicht deinen Körper.
Aber du bist allein in deiner Kabine.
Es gibt keine Beobachter.
Bevor du die Kabine verläßt, betrittst du die angrenzende Naßzelle und blickst in den Spiegel. Du siehst dein Gesicht, und es bedeutet dir nichts. Jeder an Bord der NOVA STAR kennt dieses Gesicht, nur du kennst es nicht mehr.
Du bist wie in Trance, ferngesteuert, Werkzeug einer bösen Macht, die in interstellarer Ferne darauf wartet, daß du die posthypnotischen Befehle ausführst, die du vor dem Paraflug nach Larn-Saan, der lebenden Welt, der Welt des Galaktischen Archivs, erhalten hast.
Du kehrst in deine Kabine zurück, öffnest den Waffenschrank und schiebst eine klobige Strahlpistole in das Holster deines Waffengurts.
Du trägst immer eine Waffe. Niemand wird deswegen Verdacht schöpfen.
Es wird Zeit. Du weißt, was du zu tun hast.
Du weißt, daß alles von dir abhängt.
Du verläßt die Kabine, folgst dem Gang zum Zentralschott und öffnest es, indem du die Hand auf das Sensorschott legst.
Diesmal ist die Zentrale nicht leer. Du blickst dich um, und du siehst die Gesichter deiner Freunde, und sie bedeuten dir nichts: Glory Moon, die kaffeebraune Psychonautin; Vira Mandala, die Blondine mit den neongrünen Augen und der kokett-naiven Art; Fortunato Stengel, der tollpatschige Servotechniker, der bekümmert vor sich hin grübelt, weil sein Werkzeugcontainer sich seit Tagen weigert, mit ihm zu reden; Di Grey, der Fremdweltenspezialist mit der spitzen Zunge und dem Auftreten eines illusionslosen Totengräbers; Ken Katzenstein, der die Maschinen und die Frauen liebt; und Flaming Bess, die Frau aus dem Eis, die Alte Kommandantin, die nach äonenlangem Kälteschlaf auf Terminus erwacht ist und die letzten freien Menschen vor den Herculeanern gerettet hat, die Frau, die deinem Herz so nah ist, wie es ein anderer Mensch nur sein kann — sie sind bloße Namen, Dinge, die sich vor deinen Augen bewegen, Teil deiner Umwelt, aber nicht Teil von dir.
Dich überrascht auch nicht, Trimalorius in der Zentrale vorzufinden, obwohl du dem galaktischen Händler mißtraust und dein Mißtrauen noch gewachsen ist, seit er häufig in der Gesellschaft Lady Gondelors gesehen wird, doch Trimalorius ist nur ein Ding wie die anderen.
Ein Objekt.
Du musterst sie alle und du bereitest den Angriff vor.
Du hast den Befehl bekommen, alle Personen in der Zentrale auszuschalten, die Kontrolle über das Schiff zu übernehmen und dich dann wieder mit deinem Herrn und Meister, Kriegsherr Krom, in Verbindung zu setzen, um weitere Anweisungen zu erhalten. Du bist eine Marionette, und du wirst diesen Befehl um jeden Preis ausführen.
Nüchtern wägst du deine Chancen ab. Du bist allein, und sie sind sieben, und einige tragen Waffen. Wenn du diesen Kampf gewinnen willst — und du willst ihn gewinnen —, mußt du schnell, gnadenlos und überlegt handeln.
Am gefährlichsten ist Flaming Bess, die Überlebensspezialistin der alten Erde, die mehr als einmal bewiesen hat, wie gut ihre Reflexe und wie perfekt ihre Qualitäten als Kämpferin sind. Wenn sie erledigt ist, hast du den Kampf halb gewonnen.
Du wirst zu ihrem Kontrollpult hinuntergehen, ohne Vorwarnung deine Waffe ziehen und sie erschießen. Die nächsten Schüsse werden Trimalorius und Ken Katzenstein treffen, denn sie sind wie Flaming Bess bewaffnet und ernstzunehmende Gegner. Anschließend werden Di Grey, Vira Mandala, Fortunato Stengel und Glory Moon sterben.
Vier, fünf Sekunden — länger wird es nicht dauern. Du bist ein guter Schütze, und du bist darauf trainiert, mit einer Vielzahl von Gegnern zur gleichen Zeit fertig zu werden.
Es ist keine Grausamkeit, die dich den Mord an deinen Freunden planen läßt, sondern reines Zweckdenken.
Jede Person in der Zentrale hindert dich an der Übernahme des Schiffes. Sieben Personen zu neutralisieren, die zum Teil erprobte Kämpfer sind, ist kein einfach zu lösendes Problem, und nur der Tod löst alle Probleme. Während du planst, wirst du von deinen Freunden begrüßt. Sie sind freundlich; sie sind erleichtert, dich wiederzusehen; und sie haben sich Sorgen um dich gemacht.
Aber ihre Warmherzigkeit berührt dich nicht.
Sie stellen dir Fragen, und du antwortest. Du gibst dich wortkarg, sagst nur das Notwendigste, doch
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