Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
T’connait, du. Er kommt ins Red-Hat-Haus.«
»Jetzt macht mal, daß ihr loskommt. Ich kümmere mich um sie«, sagte der Wärter.
»Scheiße, ja«, sagte Lester.
Wir traten hinaus in die Dunkelheit, in den Regen und die Blitze, die im Süden über den Himmel zuckten, und sperrten Jimmie Lee Boggs und Tee Beau in den Fond des Wagens, der durch Maschendraht von den Vordersitzen getrennt war. Dann schloß ich den Kofferraum auf und warf die zwei Papiertüten mit ihren Habseligkeiten hinein. Hinten im Kofferraum, mit elastischen Bändern am Boden befestigt, lagen ein Gewehr vom Kaliber .30-06 mit Zielfernrohr in einem Etui mit Reißverschluß und eine Repetierflinte Kaliber 12 mit Pistolengriff. Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und wir verließen die Stadt auf der Landstraße, die durch St. Martinville auf die Interstate 10, Baton Rouge, und schließlich zum Zuchthaus von Angola führte.
Die breiten Eichen entlang der zweispurigen Straße waren schwarz und voller Wasser. Der Regen hatte nachgelassen, und als ich das Fenster auf meiner Seite ein kleines Stück öffnete, konnte ich das Zuckerrohr und die nasse Erde auf den Feldern riechen. Regenwasser stand hoch in den Gräben auf beiden Seiten der Straße.
»Ich muß aufs Klo«, sagte Jimmie Lee Boggs.
Weder Lester noch ich antworteten.
»Ohne Scheiß, ich muß wirklich«, wiederholte er.
»Du hättest vorher noch mal gehen sollen«, sagte ich.
»Ich hab ja gefragt. Er hat mir nur gesagt, daß ich ’s Maul halten soll.«
»Jetzt mußt du’s dir halt verkneifen«, sagte ich.
»Warum machst du den Job jetzt wieder?« fragte Lester.
»Ich hab hohe Schulden«, sagte ich.
»Wie hoch?«
»So hoch, daß es mich mein Haus und meinen Bootsverleih kosten kann.«
»Irgendwann dieser Tage werd ich mich absetzen. Dann kauf ich mir ein Haus in Key Largo. Dann kann sich jemand anders mit so was rumschlagen. Hey, Boggs, hatte die Mafia nicht genug Arbeit für dich in Florida?«
»Was?« sagte Boggs. Er saß nach vorne gebeugt und blickte aus dem Seitenfenster.
»Hat dir Florida nicht gefallen? Mußtest du unbedingt den ganzen weiten Weg hierher machen, um jemand umzubringen?« sagte Lester. Wenn er lächelte, wirkten seine Mundwinkel wie Knetmasse.
»Was geht’s dich an?« fragte ihn Boggs.
»Reine Neugier.«
Boggs schwieg. Sein Gesicht wirkte angestrengt, und er rutschte mit dem Hintern unruhig auf dem Sitz hin und her.
»Wieviel haben sie dir dafür bezahlt, daß du diesen Barbesitzer umnietest?« sagte Lester.
»Nichts«, sagte Boggs.
»Eine reine Gefälligkeit?« fuhr Lester fort.
»Ich hab gesagt ›nichts‹, weil ich diesen Typ nicht umgebracht habe. Hör zu, ich will nicht unhöflich sein, wir haben noch ’ne lange Fahrt vor uns, aber mir geht es gar nicht gut.«
»Wenn wir erst mal auf der Interstate sind, besorgen wir dir ’n paar Magentropfen oder so was«, sagte Lester.
»Das würd ich zu schätzen wissen, Mann«, sagte Boggs.
Wir fuhren in weitem Bogen durch das offene, weite Land. Tee Beau schlief, den Kopf auf die Brust gelegt. Ich hörte das Quaken von Fröschen in den Gräben.
»Schöner Nationalfeiertag«, sagte Lester.
Ich stierte aus dem Fenster auf die regendurchtränkten Felder. Ich verspürte keinerlei Lust, mir noch mehr von Lesters negativen Kommentaren anzuhören, und ich wollte ihm auch nicht sagen, was ich wirklich dachte: daß er nämlich der deprimierendste Mensch war, mit dem ich je zusammengearbeitet hatte.
»Ich sag dir was, Dave. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich mal mit ’nem Cop zusammenarbeite, der selbst schon mal unter Mordanklage gestanden hat«, sagte er. Dabei gähnte er und sperrte angestrengt die Augen auf.
»Ach ja?«
»Du redst wohl nicht gerne drüber?«
»Das ist mir völlig egal.«
»Wenn’s dein wunder Punkt ist, tut’s mir leid, daß ich’s angesprochen habe.«
»Es ist kein wunder Punkt.«
»Manchmal bist du schon verflucht empfindlich.«
Der Regen schlug mir ins Gesicht, und ich kurbelte das Fenster wieder hoch. Zwischen den Bäumen konnte ich Kühe sehen, die dichtgedrängt beieinander standen, und weit hinten in einem Zuckerrohrfeld ein einsames, dunkles Bauernhaus. Weiter vorne eine alte Tankstelle, die dort schon in den dreißiger Jahren gestanden hatte. Der Vorbau mit den Zapfsäulen war erleuchtet, und vom Dachvorsprung sprühte der Regen ins Licht.
»Bei mir stimmt irgendwas nicht«, sagte Boggs. »Wie wenn Glas kleingemahlen wird.«
Gefesselt wie er war, saß er
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