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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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einmal heftig. Unmittelbar vor Sonnenaufgang hellte sich der Himmel auf, und durch die Eichenzweige über meinem Kopf leuchteten die Sterne. Die Sonne ging rot und heiß über dem Baumhorizont im Osten auf, und der Nebel, der am Grund des Flußbetts festhing, war so rosa wie mit Wasser verdünntes Blut. Mein Mund war trocken, mein Atem stank mir selbst in der Nase. Ich fühlte mich innerlich tot, losgelöst von all den gewöhnlichen Dingen in meinem Leben, und in Schüben kamen Wellen von Schock und Ekel, die meinen Körper erzittern ließen, als läge ich noch einmal am Rand eines Pfades in Vietnam, nachdem eine tückische Sprengmine dafür gesorgt hatte, daß Güterzüge durch meinen Kopf dröhnten und ich fassungslos und meiner Stimme beraubt im verbrannten Gras lag. Ich hörte den frühmorgendlichen Verkehr auf der Straße und Autoreifen, die sich durch den Kies pflügten; dann wurde eine Wagentür geöffnet und jemand ging langsam seitlich an der Tankstelle entlang.
    »Oh Herrgott im Himmel, was hat da jemand angerichtet«, sagte ein schwarzer Mann.
    Ich versuchte zu sprechen, aber meine Stimmbänder brachten keinen Ton hervor.
    Ein kleiner schwarzer Junge in einem zerlumpten Overall, dessen Träger lose herunterbaumelten, stand am oberen Rand des Flußbetts und starrte mich an. Ich hob die Finger von meiner Brust und versuchte schwächlich, ihm zuzuwinken. Ich fühlte, wie eine Seite meines Mundes zu lächeln versuchte und dabei das Netz aus getrocknetem Schlamm aufsprang, das sich quer über meine Wange zog. Der Junge wich zurück und rannte mit viel Getöse durch das Unterholz .Seine Stimme gellte durch die heiße Morgenluft.

2. Kapitel
    Drei Monate später verbrachte ich den Großteil meiner Zeit zu Hause draußen auf meiner Veranda. Die Tage waren kühl und warm zugleich, wie sie es den Herbst über im Süden von Louisiana immer sind, und es gefiel mir, in Khakihosen, einem weichen Flanellhemd und bequemen Schuhen einfach nur so dazusitzen. Ich betrachtete das goldene Licht in meinen Pecanbäumen, den harten blauen Himmel über dem Sumpf, der wie von Töpferhand geschaffen wirkte, das rote Laub, das wie die Blütenblätter einer Rose auf dem Bayou schwamm, die Fischer am Landungssteg, die säckeweise kleingestoßenes Eis auf ihren Fang, sac-à-lait und Breitmaulbarsch, schütteten.
    Manchmal machte ich nach einigen Stunden dann einen kleinen Spaziergang durch den Pecanhain den Feldweg hinunter zum Landungssteg und meinem Laden für Köder und Angelzubehör, wo ich Batist, dem Schwarzen, der für mich arbeitete, dabei half, die Einnahmen zu zählen, tote Elritzen aus dem Aluminiumbecken zu fischen, in denen wir die Köder aufbewahrten, oder die Hühnchenteile und Würstchen mit sauce piquante zu bestreichen, die wir in einem alten Ölfaß grillten. Ich hatte es mit einem Acetylenbrenner längs halbiert und Scharniere und eiserne Beine drangeschweißt. Wir hatten dieses Jahr eine gute Saison, und ich verdiente viel Geld mit dem Verleih von Booten und dem Verkauf von Ködern und Bier und Speisen vom Grill. Meine Abnehmer dafür waren die Fischer, die mittags reinkamen und an meinen Gartentischen mit Sonnenschirmen in der Mitte saßen. Aber ich hatte immer schnell genug von meinem eigenen Laden und ging dann wieder zurück auf die Veranda, wo ich die runden Lichtkegel in den Bäumen und die grauen Eichhörnchen beobachtete, die durch die Laubhaufen am Fuß der Bäume huschten.
    Linke Schulter, Arm und oberer Brustbereich taten nicht mehr weh, nicht einmal, wenn ich mich im Schlaf auf die linke Seite drehte. Nur wenn ich mit meiner linken Hand etwas Schweres schnell hochzuheben versuchte, hatte ich Probleme. Manchmal knöpfte ich mein Hemd auf und betastete die runde Narbe, wenige Zentimeter unterhalb meines Schlüsselbeins. Sie war so groß wie ein Zehncentstück, rot, eine Einbuchtung, die sich anfühlte wie Gummi. Nahezu narzißtisch fasziniert von meiner eigenen Sterblichkeit faßte ich oben über meine Schulter und berührte die wulstige Narbe, die sich über der Austrittswunde gebildet hatte. Die Kugel war so sauber und gerade wie ein Pfeil durch mich hindurchgegangen.
    An manchen Nachmittagen klappte ich einen Kartentisch auf der Veranda auf und nahm meine Schußwaffen auseinander – eine doppelläufige Schrotflinte Kaliber 12, eine kleine Beretta Kaliber .25 für Notfälle und die .45er Automatik, die ich aus Vietnam mitgebracht hatte – und ölte und putzte und polierte alle Federn und Schräubchen

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