Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

stimmt’s?« sagte er. Er biß ein Stückchen loser Haut von seinem Daumen und pickte es mit dem Finger von der Zunge. »Man verschwindet einfach in einem Riß zwischen den Dimensionen und hinterläßt nur ein großes Fragezeichen. Das ist nicht schlecht.«
    »Sie haben selbst neulich zu mir gesagt, es geht immer ums Geld. Bleiben Sie weg vom Geld, und die Typen in Houston und Miami lassen Sie wahrscheinlich in Frieden.«
    »Vielleicht.«
    »Wie man’s auch dreht, Tony, für uns heißt’s adiós .«
    »Meine Ranch ist außerhalb eines kleinen Dorfs. Es heißt Zapopan. Vielleicht kriegen Sie mal eine Postkarte von dort.«
    »Nein, ich glaube, Ihre Story endet an dieser Stelle.«
    Er zog das Magazin aus dem Griff der .45er, zog den Schlitten zurück und warf die Patrone aus, die sich bereits im Lauf befand. Dann steckte er sie oben ins Magazin. Versonnen klopfte er mit dem Magazin auf die verchromte Waffe, dann legte er seine Hand auf den Türgriff.
    »Im Händeschütteln sind Sie wohl nicht sehr groß«, sagte er.
    Meine Hand ruhte unten auf dem Steuerrad, und ich starrte unverwandt nach vorne auf die gelbe Straße, die sich zwischen den Bäumen hindurchschlängelte.
    »Grüßen Sie Paul schön von mir«, sagte ich.
    Ich hörte ihn aussteigen und die Wagentür schließen.
    »Tony?« sagte ich.
    Er drehte sich um und blickte durchs Fenster.
    »Wenn mir je zu Ohren kommt, daß Sie wieder mit Drogen dealen, machen wir da weiter, wo wir hier aufgehört haben.«
    »Nein, Dave, das glaube ich nicht. Wenn mich nicht alles täuscht, sind Ihre Tage als Cop gezählt.«
    »Ach ja?«
    Er lehnte sich in den Fensterrahmen.
    »Ihr Herz kommt Ihrem Kopf in die Quere«, sagte er. »Und wenn Ihnen das nicht klar ist, können Sie sicher sein, daß es den Schreibtischhengsten klar ist, für die Sie arbeiten. Und die werden Sie ausmustern. Vielleicht wollen Sie keinen Dank von mir, und vielleicht würden Sie ohnehin keinen von mir bekommen, aber mein Junge da oben, der sagt Danke. Das können Sie akzeptieren oder sich an den Hut stecken. Bis dann, Dave.«
    Er stiefelte die Steigung hoch, die über und über von Piniennadeln übersät war, zur Hinterseite der Angelhütte. Er nahm seine Marine-Corps-Kappe aus der Hüfttasche, klopfte Ruß und Dreck an der Hose ab und setzte sie schief auf den Kopf. Ich fuhr langsam an der Hütte vorbei die Straße runter. Der Pick-up holperte durch die unter Wasser stehenden Schlaglöcher, und ich sah, wie er die Fliegentür öffnete und jemanden im Innern der Hütte anlächelte.
    Ich ließ die Bäume hinter mir und fuhr durch ein wintergrünes Feld, wo an einem Teich im Grünen unzählige Schnee- und Silberreiher standen und Futter suchten. Weiter vorne konnte ich die Küste erkennen. Die Palmenblätter wurden vom Wind gepeitscht, und draußen am Lake Borgne und dem Golf herrschte schwerer Seegang, die Wellen wogten und hatten weiße Schaumkronen. Die Luft war kühl und roch nach Salz und kommendem Regen. Immer wieder sah man einzelne Sonnenstrahlen. Ich merkte, daß die Sonne im Westen die graue Wolkendecke durchbrochen hatte. An einer Stelle war ein Riß im Himmel, der wie eine gelb-purpurne Rose aussah.

Epilog
    Tony hatte recht gehabt. Minos glaubte mir nicht, schon gar nicht, nachdem ich ihm ein Band gegeben hatte, auf dem zwischen dem Feuer im Flugzeughangar und Jimmie Lee Boggs’ letzter Aussage im Wasser, die bewies, daß Tee Beau Hipolyte Broussard nicht ermordet hatte, nur eine lange Lücke war. Aber das war mir egal. Ich hatte die Nase voll von Bundesbehörden und Mobstern, Drogenschnüfflern und Undercoveraktionen und debilem Gesocks, nicht zu vergessen den hochtrabenden Ernst und die Heuchelei, mit der wir unsere moralischen Werturteile fällen. Ich war zu dem Schluß gekommen, daß es jetzt an der Zeit war, einen anderen in dieser neonbeleuchteten Mondlandschaft herumirren zu lassen, wo wir fortwährend versuchen, dem Ursprung der Unzufriedenheit, die unser ganzes Land ergriffen hat, auf die Spur zu kommen, bis unsere ungestillten Süchte den Schwarzen Peter einer widersprüchlichen, eigenartig gebrochenen Figur wie Tony Cardo zuschieben und uns damit auf eine falsche Spur weg von uns selbst führen.
    Ich weiß nicht, wie es ihm weiter erging. Die DEA fand seinen Lincoln, sein einziges Transportmittel, bei der Angelhütte, aber sie stellten fest, daß das Reifenprofil identisch war mit dem frischer Reifenspuren bei dem Hangar, wo er sein Flugzeug hatte. Vielleicht hatte er jemanden dafür