Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Metalltreppe und dem Schiffsrumpf ab, schlugen Funken und heulten als Querschläger von einer festen Oberfläche zur nächsten. Er ließ die Flinte ins Wasser fallen und versuchte, Arme und Gesicht mit den Händen zu schützen. Aber er verlor auf dem schiefen Untergrund das Gleichgewicht und fiel nach vorne in das Hebewerk mit dem daran aufgehängten Motorblock. Die Ketten lösten sich mit lautem Dröhnen aus den Winden, und Jimmie Lee Boggs krachte ins Wasser am Boden des Schiffsrumpfes, begraben unter dem Maschinenblock und dem Kettengewirr, die voll auf seinem Unterleib und dem Brustbereich landeten. Alles Blut wich aus seinem Gesicht, und er warf den Kopf zurück, öffnete den Mund zu einem riesigen O, wie ein Mann, der für seinen Schmerz keine Worte finden konnte.
Ich legte beide Pistolen auf dem Boden des Steuerhauses ab und kletterte die Treppe hinunter ins Wasser. Kalte Feuchtigkeit drang mir durch die Socken und an die Schienbeine, und aus einer Ecke, wo die Schwimmfüße eines toten Sumpfbibers im Wasser gegen den Schiffsrumpf schlugen, roch es süß und widerlich. Das Wasser stand Boggs bis zum Hals. Seine ölverschmierten Hände lagen wie Klauen auf dem Motorblock, und er atmete, als wäre irgend etwas in seinen Lungen auf schreckliche Art blockiert.
Ich faßte unter Wasser, wo die Kurbel des Hebewerks sein mußte, und versuchte mit beiden Händen daran zu drehen. Ich zog daran, bis mein Hemd am Rücken aufplatzte, dann rutschte ich auf der dicken Lage von Moos und Algen aus, die den Boden bedeckte, und stolperte seitlich gegen den Schiffsrumpf. Mein Knie traf Boggs am Kopf.
»Tut mir leid«, sagte ich.
Er räusperte sich und rieb sich mit der Hand heftig in einem Auge, aber er sprach nicht.
»Kannst du dich überhaupt bewegen?« sagte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe einen Wagenheber im Auto«, sagte ich. »Ich geh ihn holen. Aber zuerst wirst du etwas für mich tun müssen, Jimmie Lee.«
Seine länglichen minzgrünen Augen blickten hoch in meine. Die Pupillen wirkten wie verkohlte Ascheklümpchen.
»Kannst du reden?« sagte ich.
»Ja, ich kann reden.« Seine Stimme klang belegt.
»Wenn ich wiederkomme, möchte ich, daß du mir erzählst, was mit Hipolyte Broussard war. Ich möchte, daß du mir sagst, wer ihm den Öllumpen in den Mund gestopft hat. Sind wir uns da einig?«
»Warum geht dich das einen Scheißdreck an?«
»Weil Tee Beau Latiolais ein Freund von mir ist. Weil ich Polizist bin.«
Seine Augen schweiften hinüber zu den Löchern, die der Rost in den Schiffsrumpf gefressen hatte. Wo vorher von draußen noch Licht hereingekommen war, schwappte jetzt bereits die Strömung ins Innere des Kahns. Sein Gesicht war schweißglänzend.
»Hol mich hier raus, Mann. Die Flut kommt«, sagte er.
Ich stieg hastig die Treppe hoch, holte aus dem Werkzeugkasten hinten in meinem Pick-up den Wagenheber und eine große Taschenlampe, überquerte wieder die schmale Brücke und kletterte wieder hinunter in den Maschinenraum. Ich knipste die Taschenlampe an und legte sie auf eine Stufe der Treppe, so daß der Lichtstrahl über der Stelle, wo Boggs festsaß, den Schiffsrumpf erleuchtete. Seine Haut hob sich knochenweiß von der Schwärze des Wassers ab.
Ich zwängte das Unterteil des Wagenhebers so gut es ging zwischen den schrägen Boden und eine Schiffswand und steckte den Handgriff in die Halterung. Dann legte ich das obere Teil unter den Motorblock und pumpte wie wild am Griff.
»Mach schon, Boggs, sag’s mir. Jetzt ist nicht die Zeit, den Schweigsamen zu spielen«, sagte ich.
Er versuchte verzweifelt, das Kinn höher zu drehen, um es über Wasser zu halten.
»Der kleine Farbige hat den Redbone nicht umgebracht. Scheiße, Mann, hol mich hier raus«, sagte er.
»Wer war’s dann?«
»Die Frau.«
»Welche Frau?«
»Mama Goula. Wer denn sonst, Mann?«
»Woher weißt du das, Jimmie Lee?«
»Ich war selbst da draußen. Der Redbone lag unter dem Bus, schlug wie wild gegen die Bremstrommel, brüllte den Jungen an. Der Bus ist auf ihn draufgefallen, und der Junge ist abgehauen. Beeil dich, Mann, mich hat’s schwer erwischt.«
»Red nur weiter, Jimmie Lee.«
»Mama Goula hatte gerade ein paar Mädels raus ins Lager gebracht. Sie fand den Redbone so hilflos daliegend und stopfte ihm mit dem Daumen den Lumpen in die Kehle.«
Ich fühlte, wie sich der Motorblock etwas bewegte; dann glitt der Wagenhebergriff aus der Halterung, und ich schlug mit den Knöcheln gegen den Schiffsrumpf. Boggs
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