Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
des alten Bohrschiffs, das auf der anderen Flußseite schräg im Wasser lag. Ich hielt an, steckte mir Tonys .45er in den Gürtel und näherte mich dem Wagen von der Fahrerseite her. Graues Licht schien durch die Bäume, und der kalte Geruch der Luft erinnerte an einen Kühlschrank, in dem zu lange Lebensmittel gestanden hatten. Die Fahrertür war ein Stück weit geöffnet, und Armaturenbrett und Lenksäule waren übersät von kleinen Glasscherben und blutbeschmiert.
Ich öffnete die Tür mit einem Ruck ganz und richtete die Waffe ins Wageninnere, aber da war niemand. Schrotpatronen Kaliber 12, mit blutigen Fingerabdrücken auf den gelben Hülsen, lagen verstreut auf dem Beifahrersitz und dem Wagenboden. Flußabwärts, fast auf derselben Höhe mit dem Schiffswrack, war eine ungestrichene, schmale Holzbrücke über den Fluß. Das Brückengeländer war kaputt, und durchgefaulte Bretter hingen unten heraus. Auf der anderen Seite der Brücke waren tiefe Fußspuren, die entlang der Schlammbank durch den wilden Efeu und Zypressenwurzeln zur Steuerbordseite des Wracks führten, das schräg nach oben am Ufer lag.
Die Querhölzer auf der Brücke waren sehr morsch, und drei davon brachen mit einem Knall wie Gewehrschüsse unter meinem Gewicht. Wasser tropfte von den Bäumen in den Fluß und warf die Oberfläche auf. An der Küste war jetzt wieder Flut, und das Wasser im Fluß war gestiegen, so daß die Linie getrockneter Pflanzen und ähnlichen Unrats entlang des Ufers jetzt wie graue Spinnweben direkt oberhalb der Strömung lag.
Ich ging durch das Gestrüpp am Ufer zum Bug des Schiffs, wo der Bohrturm angebracht war. In Höhe der Wasserlinie war der Rumpf völlig durchgerostet, und in den gußeisernen Platten waren Risse, die sie wie gebrochene Zähne aussehen ließen. Ich packte die vordere Reling und kletterte darüber auf Deck. Altes Laub und Piniennadeln machten das Deck glitschig, und jemand hatte mit seinen Schuhen einen grauen Pfad vom Dollbord bis zur Tür des Steuerhauses hinterlassen.
Ich nahm meine .45er in die linke Hand, zog mit der rechten Tonys Waffe aus dem Gürtel und spannte mit dem Daumen den Abzugshahn. Im Innern des Steuerhauses waren überall Blätter und leere Holzkisten, in denen einst Dynamit, Zünder und Rollen von Zünddraht gewesen waren. In einer Ecke lagen die verschrumpelten Überreste eines benutzten Kondoms, und jemand hatte mit einer Spraydose ans Schott die Initialen KKK und in einem großen Herz die Worte Joe Bob and Claudine geschrieben. An der Rückseite des Steuerhauses befanden sich die Tür und die Stahltreppe, die hinab in den Maschinenraum führte.
Den Rücken ans Schott gepreßt, linste ich um die Ecke und dann die Treppe hinunter in den darunterliegenden Raum, der halb unter Wasser stand. Das Wasser war schwarz und stehend und von Ölflecken durchzogen, und jemand hatte versucht, die riesige Maschine mit einem Hebewerk zu bergen, dann aber mittendrin aufgegeben und sie an Ketten und flaschenzugähnlichen Rollen wenige Zentimeter über dem Wasser hängen lassen.
Dann hörte ich eine Bewegung im Wasser. Etwas streifte den Schiffsrumpf.
»Du bist verhaftet, Boggs«, sagte ich. »Wirf deine Flinte dahin, wo ich sie sehen kann, dann komm mit den Händen auf dem Kopf die Treppe hoch.«
Unten war es jetzt völlig still.
»Wenn du verletzt bist und dich nicht bewegen kannst, sag es mir«, sagte ich. »Ich kann dafür sorgen, daß du binnen einer halben Stunde in Slidell im Krankenhaus bist. Aber zuerst mußt du das Gewehr wegwerfen.«
Das einzige, was man hörte, waren die Regentropfen, die in den Fluß fielen, und die Äste, die hoch in den Bäumen ächzten und knarrten. Schweiß rann mir aus dem Haar, und der Wind, der durch die Fenster hereinblies, schlug mir kalt ins Gesicht.
»Hör zu, Boggs, du steckst hier in einer eisernen Kiste. Du kommst hier nicht mehr raus. Wenn ich das Feuer eröffne, gibt es keine Möglichkeit für dich auszuweichen. Sei vernünftig. Du mußt hier nicht sterben.«
Dann hörte ich ihn. Er bewegte sich schnell durchs Wasser, von einer Ecke her, die schräg nach oben zum Ufer zeigte. Am Fuß der Treppe kam er voll in mein Blickfeld. Hals und Schulter waren dunkelrot von Blut, das Gesicht und das dünne Haar und das triefnasse T-Shirt voller Algen und Spinnennetze. Aber er war schwer verletzt, und er blieb mit dem Lauf der Schrotflinte am Treppengeländer hängen, als ich mit beiden Pistolen das Feuer eröffnete.
Die Kugeln prallten an der
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