Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Torwächter. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, umrahmt von Regentropfen.
»Man stellt sich ihr«, sagte Tony.
»Ganz ruhig, Kumpel. Das ist nicht Ihr Stil.«
»Wie zum Teufel wollen Sie wissen, was mein Stil ist?«
»Ich bin nicht dafür verantwortlich. Ich habe nichts mit Ihrem Leben zu tun. Sie lassen es am Falschen aus.«
»Sie sind der Richtige. Und Sie wissen, daß Sie der Richtige sind.«
»Jeder hatte da drüben Angst. Das ist nur menschlich. Was ist bloß mit Ihnen los?«
»Glauben Sie das wirklich? Scheiße, sage ich. Man muß der Angst ins Gesicht sehen. Können Sie das?«
Im Licht von draußen war sein Mund violett. Seine Ohren waren wie an seine Kopfhaut gepreßte winzige kleine Blumenkohlköpfe.
»Ich glaube, Sie sind hinüber, Tony. Ich glaube, Sie haben zu viele Black Beauties eingeschmissen. Ich mache diesen Scheiß nicht mit. Ficken Sie sich ins Knie.«
Seine dünnen Nasenflügel bebten beim Atmen. Er ließ den Revolver auf seinem rechten Oberschenkel ruhen. Dann sagte er: »Ich zeige Ihnen, wie man das macht.«
Er klappte die Trommel aus dem Rahmen und leerte alle sechs Patronen vom Kaliber .38 in seine Handfläche. Er ließ alle bis auf eine in seine Jackentasche fallen. Diese eine lud er in eine Kammer und schloß die Trommel wieder.
»Tony, lassen Sie’s sein, bevor es zu weit geht. Es lohnt sich nicht«, sagte ich.
Er spannte den Hahn halb, drehte die Trommel zweimal. Dann zog er den Hahn mit dem Daumen ganz nach hinten und hielt sich den Lauf unters Kinn. Seine Gesichtshaut wirkte so starr und grau wie Pappe, und seine Augen verloren sich in irgendeinem weit entfernten Gedanken irgendwo hinter meinem Ohr. Dann drückte er ab.
»Oh Gott, Tony«, hörte ich den Torwächter sagen, begleitet von einem lautstarken Ausatmen.
Tony steckte sich eine Zigarette in den Mund, ohne sie anzuzünden, öffnete die Trommel erneut und steckte die fünf Patronen aus seiner Tasche wieder in die Kammern.
»Das war noch nicht mal nah dran – die Kugel war zwei Kammern weit weg«, sagte er. »Aber daß nie wieder Mitleid in Ihrem Gesicht steht, wenn Sie mich mit meinem Sohn sehen.«
Ein einzelner Wassertropfen fiel aus seinem Haar und hinterließ einen Fleck auf der unangezündeten Zigarette in seinem Mund.
7. Kapitel
Am nächsten Morgen lag dichter Nebel in den Straßen des French Quarter, und ich hörte draußen auf dem Fluß die Nebelhörner der Schlepper und Ölbarkassen. Ich frühstückte Kaffee und beignets an einem Tisch im Café du Monde; dann brach die Sonne durch die Wolken, und der Jackson Square war nach dem nächtlichen Regen hell und naß und grün. Ich lief hinüber zu Ray Fontenots T-Shirt-Laden auf der Bourbon Street. Er übte in einem kleinen Hinterhof voller Unkraut und Unrat mit seiner Posaune. Er trug einen violetten Rollkragenpullover, graue Hosen und eine Sonnenbrille, obwohl es in dem Hinterhof kaum Sonnenlicht gab. An ihm war nichts Wabbeliges. Die Fettreifen an seinem Bauch sahen hart aus, als könnten Faustschläge ihnen wenig anhaben.
Unser Gespräch war nicht erfreulich.
»Wir wären uns also über alles einig«, sagte er. »Sie holen Ihr Boot von Morgan City her, und wir machen dann eine kleine Angelspritztour aufs Meer. Wie kommt’s übrigens, daß Ihr Boot in Morgan City ist, wo Sie doch in New Iberia leben?«
»Hab gerade den Motor überholen lassen.«
»Das ist gut. Und Sie haben das Geld dann bereit?«
»Allerdings.«
»Weil wir uns doch alle viele hübsche Sächelchen kaufen wollen. Das bringt Tinte in den Füller. Und zwar mächtig.«
»Übermorgen, vierzehn Uhr in Cocodrie. Ziehen Sie sich warm an. Es wird auf See ziemlich kalt sein«, sagte ich und wollte schon gehen.
»Verbindlichen Dank, mein Bester. Aber da ist noch eine kleine Änderung.«
Er leerte die Speichelreste aus dem Posaunenzug ins Unkraut zu seinen Füßen.
»Und das wäre?« sagte ich.
»Ihr Freund Purcel wird uns nicht begleiten.«
»Er ist mein Partner in diesem Geschäft. Natürlich kommt er mit.«
»Diesmal nicht.«
»Warum nicht?«
»Er muß erst noch lernen, wie man sich benimmt. Außerdem brauchen wir ihn nicht.«
»Hören Sie, Fontenot, wenn Clete Sie wegen Tonys Telefonnummer drangsaliert hat, ist das eine persönliche Sache, die Sie mit ihm regeln müssen. Hier geht’s ums Geschäft.«
»Er kommt nicht mit.«
»Was meint Tony dazu?«
»Ich wickle die Deals für Tony ab, und ich bestimme dabei. Ob Sie mit mir oder ihm reden, ist kein Unterschied.«
»Haben
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