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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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auf und atmete durch die Nase ein.
    »Es war eine verfluchte Hölle«, sagte er.
    »Vielleicht ist es Zeit, endlich damit aufzuhören.«
    »Was?«
    »Wir haben schließlich nicht drum gebeten, da rübergeschickt zu werden. Irgendwann kommt die Zeit, wo wir aufhören müssen, die Monster mit uns rumzuschleppen.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß ich da drüben etwas getan habe, das mir jetzt nachhängt?«
    »Wenn Sie’s nicht getan haben, dann haben Sie zugesehen.«
    Er musterte mich lange und gründlich, sein Mund ein schmaler Strich.
    »Sie sind ein ungewöhnlicher Mann«, sagte er.
    »Das finde ich nicht.«
    »Sie meinen also, man kann eines Tages die Tür hinter der ganzen Scheiße einfach zutreten?«
    »Sie haben es schon erlebt. Warum wollen Sie es für den Rest Ihres Lebens immer wieder in Ihrem Kopf abspulen?«
    »Manche sagen, der Krieg sei nie vorbei.«
    »Für mich ist er das.«
    »Auch in Ihren Träumen?«
    Darauf gab ich keine Antwort.
    »Das dachte ich mir«, sagte er. Sein Körper war tief in einem Ledersessel versunken. Er lächelte mich schief an.
    Aber das war noch nicht das Ende meines seltsamen Nachmittags bei Tony C. Als Clete und ich zu meinem Pick-up liefen, merkte ich, daß meine Brieftasche nicht mehr da war. Ich suchte im Gästehaus und draußen beim Pool, kam dann darauf, daß sie mir vermutlich aus der Hosentasche gefallen sein mußte, als ich in der Bibliothek saß. Der schwarze Hausdiener ließ mich wieder zur Seitentür hinein. Diesmal stand die Schiebetür offen, die von der Bibliothek auf die Sonnenterrasse führte, und ich sah, wie Tony einen kleinen Jungen im Rollstuhl ankleidete, inmitten einer Unmasse von Spielzeugen. Er sah mich nicht gleich. Der kleine Junge war vielleicht sieben oder acht. Er hatte ein hübsches und intelligentes Gesicht, aber der Kopf lag auf den Schultern, als hätte er keinen Hals, und die Beine waren zu kurz für den kleinen Körper, und der Rücken war schrecklich deformiert. Das Haar des Jungen war braun und naß, und Tony Cardo kämmte ihm einen Scheitel und beugte sich vor und küßte den Jungen auf die Stirn. Dann sah er mir plötzlich voll ins Gesicht.
    »Es tut mir leid. Ich muß meine Brieftasche im Sessel verloren haben«, sagte ich.
    Er trat zu der Schiebetür und schloß sie.
    In der Nacht regnete es. Das Wasser rann von den Dächern, den Dachrinnen, den Balkonen, prasselte auf die Palmwedel und Bananenstauden, wirbelte wie ein Strudel aus nassem Licht im Innenhof. Blitze zuckten über den Nachthimmel und brachten die Fenster zum Erbeben, und ich schlief mit einem Kissen über dem Kopf. Ich hörte nicht, wie der Dietrich ins Türschloß gesteckt wurde, und auch nicht, wie der Türknauf gedreht wurde, als sich der Bolzen aus dem Türrahmen löste. Ich merkte nur, daß es im Raum schlagartig kühler wurde und auf einmal nach Laub und Regen roch. Ich kam auf einem Ellbogen hoch und blickte in das Gesicht von Tony Cardo, der vornübergebeugt auf einem Holzstuhl neben meinem Bett saß. Hinter ihm stand einer seiner Torwächter, von dem Wasser auf meinen Fußboden tropfte.
    »Wann haben Sie am meisten Angst gehabt in Ihrem Leben?« sagte er. Sein schmales, längliches Gesicht wirkte im Licht einer elektrischen Außenlampe, das durch ein Fenster zum Innenhof hineinfiel, weiß wie ein Leintuch.
    »Was?« Meine Hand fuhr zur Schublade des Nachttischchens.
    »Nein«, sagte er, packte mich am Handgelenk und drückte meinen Arm wieder aufs Bett.
    »Was haben –«
    »Wann haben Sie am meisten Angst gehabt in Ihrem Leben?« wiederholte er. Seine Augen waren pechschwarz und glänzten wie Murmeln, als hätten sie keine Pupillen.
    Ich saß jetzt gerade im Bett. Die Wohnungstür stand halb offen, und der Wind blies Blätter und Nebel ins Wohnzimmer.
    »Hören Sie, Tony –«
    »Ich sag Ihnen, wann das war. Unmittelbar nachdem es Sie erwischt hat. Als Sie alleine in der Dunkelheit liegen mußten und Ihnen die Gedanken durch den Kopf schössen.«
    Er roch nicht nach Alkohol. Dann blickte ich wieder auf seine Augen, bemerkte die starre Intensität, das Feuer in ihnen, das an ein Streichholz erinnerte, das hinter schwarzem Glas brannte.
    »Geben Sie’s schon zu«, sagte er.
    »Ich hatte die ganze Zeit, die ich da drüben war, immer Angst. Wen schert’s? Sie haben zuviel Speed geschluckt, Tony.«
    Dann sah ich ihn den Revolver heben, den er zwischen seinen Beinen gehalten hatte.
    »Wissen Sie, wie man diese Angst überwindet?« sagte er.
    Ich blickte zu dem

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