Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Gefängnistätowierungen auf seinem nackten Rücken wie Schlangen tanzten.
Selbst Clete paßte sich schnell der Atmosphäre an. Er hatte die Arme ausgestreckt auf das gekachelte Auffangbecken am tiefen Ende des Pools gelegt, den Hut tief in die Stirn gezogen, im Arm ein zwanzig Jahre altes Mädchen. Ihr Mund war rot und kalt von dem Whiskey Sour, von dem sie immer wieder einen Schluck nahm, und sie lachte über alles, was er sagte und hielt ihre Balance, indem sie sich an seiner Schulter festhielt, wenn sie vom Rand des Pools wegzutreiben drohte. Ich konnte sehen, wie sie ihr Knie gegen seinen Schenkel drückte.
Die Luft kühlte jetzt merklich ab, und ich paddelte mit den Füßen, um warm zu bleiben. Es war unmöglich, Cardo allein zu erwischen. Er saß in einem weißen Frotteebademantel an dem Redwood-Tisch, ein Bein angewinkelt übers Knie gelegt, und rauchte eine Pall Mall in einer goldenen Zigarettenspitze, umgeben von vieren seiner Gäste, die mit fröhlichem Lächeln an seinen Lippen hingen. Ich hielt mich mit einem Arm am Sprungbrett fest und freundete mich mit dem Gedanken an, daß ich den Tag abschreiben konnte.
»Wie gefällt Ihnen das süße Leben?« sagte eine Stimme hinter mir.
Sie saß auf der Gummimatte des Sprungbretts und trug ein hellgrünes Kleid, das mit winzigen rosa Blumen gemustert war. Sie hatte ihr rotes Haar unter ein grünes Barett hochgesteckt, aber auf der einen Seite hatte es sich gelöst und fiel ihr auf den Hals. Ihr Lippenstift war knallrot, und sie hatte ihn zu dick aufgetragen, aber als sie den Mund öffnete und mich voll anblickte, verwirrte sie mich und machte mir schlagartig bewußt, daß weder Alter noch Stolz einen Mann vor manchen Dingen schützen.
»Wie geht’s, Kim?« sagte ich.
»Wie geht’s bei Ihnen, Supermann?«
»Wie Sie schon sagten, ich genieße das süße Leben. Wollen Sie nicht schwimmen?«
»Das laß ich heut aus. Vor zwei Abenden haben sie da drin noch gevögelt.«
»Wie bitte?«
»Sie haben ganz richtig gehört. Auf einer Luftmatratze, mit allen Lichtern. Ein schöner Haufen.«
Ich stemmte mich aus dem Pool hoch und ging zum Gästehaus, um mich zu duschen und umzuziehen. Ich hörte sie in meinem Rücken lachen. Als ich wieder zurückkam, saß sie mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem gepolsterten Gartenstuhl aus Gußeisen. Ich setzte mich auf das trockene Ende der Gummimatte am hinteren Rand des Sprungbretts.
»Sie sind ein ganz besonders schwerer Fall«, sagte sie.
»Wieso?« sagte ich, die Augen zum flachen Ende des Pools gewandt, wo Tony und zwei Mädchen einander einen Wasserball zuschlugen.
»Bei Ihnen muß ich immer an eine Katze denken, die versucht, sich auf einen heißen Ofen zu setzen«, sagte sie.
»Was sagten Sie noch mal, woher Sie kommen?«
»Ich habe gar nichts gesagt.«
»Ich muß alleine mit Tony reden. Das erweist sich als ziemlich schwierig.«
»Immer noch hinter dem großen Geschäft her, Supermann?«
»Wie wär’s, wenn Sie Ihre vorschnellen Schlüsse für sich behalten?«
»Alles, was Sie wollen, Babe.«
»Sind Sie sein Mädchen?«
Sie blickte von mir weg zu den Bäumen im Garten. Ihr Gesicht war kühl und wie gemeißelt, das Haar dicht und dunkelrot, wo es im Nacken zusammengesteckt war. Sie legte den Nagel ihres kleinen Fingers irgendwo zwischen die Zähne und wandte dann ihren Blick wieder in mein Gesicht. Sie blickte mir direkt in die Augen, aber es war unmöglich, in ihren zu lesen.
»Was?« fragte ich sie.
Sie gab immer noch keine Antwort und fuhr statt dessen fort, mir ins Gesicht zu starren. Ich holte tief Luft.
»Ich glaube, ich muß mir jetzt mal was zu essen holen«, sagte ich.
»Wenn Sie mit Tony allein sein wollen, er wird bald ins Haus gehen, um nach seinem kleinen Jungen zu sehen. Das macht er immer.«
»Sein kleiner Junge?«
»Deswegen fährt seine Frau immer weg. Sie kommt damit nicht zurecht.«
»Was meinen Sie damit?«
»Tun Sie sich einen Gefallen und gehen Sie heim, Robicheaux.«
Sie stand auf, rückte das Haar unter das Barett und ging alleine in Richtung des Tennisplatzes davon. Einen Augenblick später sah ich sie auf die Arme gestützt an dem Maschendraht lehnen, ins Nichts starrend. Im Schatten der Myrtenbüsche war ihr Gesicht bleich und leer.
Aber was Tony Cardo anging, hatte sie recht gehabt. Zehn Minuten später, als ich gerade Clete signalisieren wollte, daß wir es für den heutigen Tag gut sein lassen sollten, entschuldigte sich Cardo bei seinen Gästen und ging
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