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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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starr und fest wie ein Hydrant aussieht. Bevor sie ihm die Stoffhaube und die Metallkappe über den Kopf ziehen, starrt er mir direkt ins Gesicht. Unerfüllte Hoffnung liegt in seinen hervorquellenden Augen.
    Ich habe ihn in New Orleans festgenommen, in einem schwarzen Bordell in einer Seitenstraße der Magazine Street. Ich nahm ihm eine .32er Automatik und ein Rasiermesser ab und warf beides in die Toilette, während ein halbes Dutzend seiner Freunde zusah, wüste Drohungen ausstieß und schließlich gar nichts tat. Später überführte ich ihn noch zurück in den Parish Iberia, wo ihm der Prozeß gemacht wurde. Aus irgendeinem Grund hat er mich gebeten, hier im Red-Hat-Haus mit anwesend zu sein. Ich halte ihn für psychisch krank oder zurückgeblieben, vielleicht hat er aber auch einfach nur sein Gehirn mit Kokain zerstört. Aber ich bin überzeugt, daß er in diesen wenigen letzten Augenblicken, die ihm verbleiben, fest daran glaubt, daß ich ihn wie ein Zauberer von seiner Qual erlösen kann, daß ich die magische Fähigkeit habe, seinen Körper von den Riemen und Schnallen zu befreien und ihn wieder nach draußen in den Wind, das raschelnde Zuckerrohr, in den Geruch von noch weit entferntem Regen führen kann.
    Als ihn der Stromstoß trifft, bäumt sich sein Körper unter den Riemen auf, versteift sich. Ein heftiges Zittern mit einem gräßlichen Eigenleben durchläuft den Körper, wie bei einem Mann, der von einem epileptischen Anfall heimgesucht wird. Eine kleine Rauchwolke quillt unter der Stoffhaube hervor. Sie verpassen ihm einen erneuten Stromstoß, und wir hören, wie sich das Leder an Lehnen und Beinen des Eichenholzstuhls zum Zerreißen spannt. Der Geruch erinnert an eine elektrisch betriebene Straßenbahn, an Haar, das in der Mülltonne eines Friseursalons verbrannt wird. Ein Zeitungsreporter neben mir hält sich ein Taschentuch vor den Mund und beginnt zu würgen.
    Später sitze ich in einer Bar, ungefähr eine Meile die Straße runter vom Zuchthaus von Angola. Die Bar befindet sich in einem abgelegenen, dicht bewaldeten Gebiet, und die wenigen Leute, die hierher zum Trinken kommen, arbeiten entweder im Zuchthaus oder in einem nahegelegenen Sägewerk. Es ist ein freudloser Ort, an dem persönliches und ökonomisches Versagen und bürokratische Grausamkeit nicht durch Vergleiche mit der Außenwelt bloßgestellt werden. Das Licht in der Bar ist hart und gelb, der Dielenboden übersät von Brandflecken, die Zigaretten und Zigarren hinterlassen haben.
    Trockene Blitze zucken draußen vor dem Fenster und hüllen die Eichen in weißes Licht. Ich bestelle mir einen großen Krug Jax-Bier und einen Jim Beam Whiskey dazu. Ich halte das kleine Schnapsglas in den Bierkrug, lasse es los und beobachte, wie es herunter auf den Boden des Glaskrugs sinkt. Der Bourbon steigt wie eine Wolke auf und verwandelt das Gelb des Biers in einen Bernsteinton, und ich umfasse den Krug mit meinen Fingern und leere ihn in einem langen Zug.
    »Waren Sie heute im Red-Hat-Haus?« fragt der Barkeeper. Er hat eine breite Brust, mit grauem, lockigem Brusthaar, das über sein Hemd hinausquillt. Auf seinem dicken Hals ist eine blaue Kette eintätowiert.
    »Ja.«
    »Was denkt einer wohl in diesen allerletzten Sekunden?«
    »Er bettelt und fleht.«
    »Ich würde das nicht tun. Sie etwa?«
    Ich antworte ihm nicht.
    »Sie etwa?« sagt er erneut.
    Ich bitte um Nachschlag. Erfüllt meinen Krug wieder auf und gießt mir noch einen Whiskey ein.
    Ich gieße den Schnaps wieder in das Bier und hebe den Krug an meinen Mund. Im Spiegel hinter der Theke bekommt der Whiskey, der in einer Wolke im Bier treibt, die Farbe von Blut, das in der Sonne getrocknet ist, das von Elektrizität verbrannt worden ist. Ich fühle, wie das Glas in meinen Händen zu kochen beginnt. Ein Blitz schlägt explosionsartig auf dem Parkplatz vor dem Lokal ein, hüllt für einen Augenblick die verbeulten, mitgenommenen Personenwagen und Pick-up-Trucks mit den rassistischen Spruchaufklebern in gleißendes Licht. Ein feuchter, schwefliger Geruch erfüllt die Luft; in meinen Ohren dröhnt ein Geräusch wie ein Schrei, der von schwarzem Stoff gedämpft wird.
    Es war zwei Uhr morgens, als ich von diesem Traum erwachte. Ich saß apathisch auf der Bettkante. Was mochte der Traum bedeuten? War es nur die traumhafte Wiederholung einer Hinrichtung, die ich tatsächlich miterlebt hatte, als ich gerade zum Detective im New Orleans Police Department befördert worden war? Veteranen der

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