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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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und schloß langsam die Augen. Ihr Mund leuchtete knallrot.
    »Ah ja«, sagte ich.
    »Eines Morgens nahm er mich mit zur Arbeit. Ich sollte auf einer Holzbank an der Ziellinie sitzenbleiben, während er mit einem Stock mit einem Nagel am Ende Papiermüll vom Boden aufpickte. Aber ich lief auf die Rasenfläche in der Mitte, um die Flamingos zu füttern. Neben dem Teich, der da angelegt war, stand ein Eimer mit kleingehackten Shrimps, und ich warf diesen großen, schönen rosa Vögeln ganze Hände voll davon zu. Ich bemerkte ihn erst, als er schon hinter mir stand. Ich hatte damals langes Haar, und er wickelte es um seine Hand und riß an meiner Kopfhaut, wie man eine Peitsche knallen läßt. Er schleifte mich zurück zur Bank und sagte, wenn ich nicht aufhörte zu heulen, würde er zu Hause noch einmal genau das gleiche tun.
    Da kam ein Reitlehrer und ermahnte meinen Vater fingerschüttelnd: ›Laß das kleine Mädchen in Frieden, Bill. Sie hat nichts angestellte.‹ Er nahm mich in den Arm, als ob mein Vater gar nicht anwesend wäre, und trug mich zu seinem Wagen. ›Sie gehört hier nicht hin. Ich geh mit ihr in den Zoo. Mach du nur deine Arbeit weiter‹, sagte er. ›Ich bring sie nachher zu deinem Wohnwagen zurück. Und ich will von dir keine Widerworte hören, Bill.‹
    Er fuhr mit mir nach Crandon Park, um dort die Flamingos anzuschauen. Er sagte, mein Vater würde mir jetzt nicht mehr weh tun, jedenfalls nicht, solange er da wäre. Dann kaufte er mir ein Eis und parkte den Wagen in einem Palmenhain und setzte mich auf seinen Schoß. Dann knöpfte er meine Bluse auf. In meinem Kopf ist das für mich immer mein Flamingo-Morgen gewesen.«
    »Eine üble Geschichte, Kim.«
    »Man lernt früher, oder man lernt später. Welchen Unterschied macht das schon?«
    »Sind Sie wirklich so abgebrüht?«
    »Nein, es macht mir einfach Spaß, mich mit Leuten wie Ray und Lionel und dem Typen mit dem Kopftuch abzugeben. Sie werden auch noch draufkommen. Ist ein tolles Leben.«
    Sie trank aus, ging auf die Damentoilette und kam wieder zurück. Ihr Atem roch nach Pfefferminze. Der schwarze Barkeeper wollte ihr aus dem Cocktailshaker noch einen weiteren Gimlet eingießen, aber sie schüttelte verneinend den Kopf. Jemand hatte eine alte Aufnahme von »Please don’t leave me« von Fats Domino auf der Musikbox gedrückt.
    »Tanzen Sie mit mir«, sagte sie.
    Es war dunkel, die Vinylsitznischen hinter der Tanzfläche waren leer. Sie lag leicht und klein in meinen Armen, und ihr Kopf ruhte auf meiner Brust. Ich fühlte ihr Haar an meiner Wange.
    »Kommen Sie, Kim, ich lade Sie zu einem Gumbo im Golden Star ein«, sagte ich.
    Sie antwortete nicht. Ich fühlte ihren Bauch und ihre Brüste an meinem Körper, und ich fühlte mich zunehmend unwohl.
    »Hey«, sagte ich und blickte sie an und lächelte. »Ein Typ wie ich, der seine besten Tage hinter sich hat, hat die Zuwendung einer hübschen jungen Frau nicht verdient.«
    »Tony hat mir den Schlüssel von seinem Strandhaus in Biloxi gegeben. Laß uns dahin gehen.«
    »Klingt nach einer guten Art, in einem Ölfaß zu enden.«
    »Er wird dir nichts tun. Er mag dich. Ich glaube ohnehin, daß es Tony nicht mehr allzu lange macht.«
    »Warum nicht?«
    »Es gibt Leute in Miami und Houston, die ihn aus dem Weg haben wollen. Er hält sich nicht an ihre Regeln. Manchmal tut er mir leid. Kommst du mit mir?«
    »Ich bin vergeben, Kim. Nicht, daß die Versuchung nicht groß wäre.«
    Ihre Füße verhielten in der Bewegung, und ihre Hand lag still auf meinem Arm. Sie blickte nach draußen ins Licht, das durch die geöffnete Vordertür hineinfiel. Über einer Augenbraue baumelte eine Locke ihres Haares. Auf ihrem Gesicht lag der gleiche erschöpfte Ausdruck, den ich darin gesehen hatten, als sie auf Tony Cardos leeren Tennisplatz gestarrt hatte. Dann berührte sie sanft mit ihren Fingern meine Kehle.
    »Mach’s gut, Supermann. Denk nicht zu schlecht von mir«, sagte sie.
    Sie ließ mich auf der Tanzfläche stehen, nahm ihre Handtasche vom Tresen und trat durch den gleißenden Lichtkegel am Eingang der Bar auf die Decatur Street. Clete hielt die Jalousie mit den Fingern ein kleines Stück auf und sah mit zusammengekniffenen Augen auf die Straße.
    »Yep, da geht er«, sagte er.
    »Wer?«
    »Nate Baxter, Alter.«
    »Nate Baxter?«
    »Dacht ich mir doch, daß du den nicht vergessen hast. Der Oberarsch des First District. Ich hab ihn gesehen, wie er sie von den Arkaden auf der anderen Straßenseite aus

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