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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Anonymen Alkoholiker würden vermutlich sagen, daß der Traum mit irgendeiner Angst zu tun hatte, denn darin sehen sie den Grund aller Probleme von Alkoholikern. Angst vor dem Tod, Angst, rückfällig zu werden, Angst vor den dunklen Seiten der eigenen Persönlichkeit. Und für einen Alkoholiker ist Angst immer auch gleichbedeutend mit dem Wunsch, alles stehen- und liegenzulassen und das Weite zu suchen. Clete hatte richtig gelegen. Ich hatte die Bars und den Gehirnzellen vernichtenden Whiskey mit der Hingabe und dem einfachen, aufrichtigen Vertrauen eines Mannes geliebt, der vor einem Altar kniet. Und diese Art von emotionalem Glauben, von emotionaler Abhängigkeit stirbt nicht minder schwer als die Religiosität, von der man sich lösen will.
    Am nächsten Tag klingelte um dreizehn Uhr das Telefon. Es war Kim Dollinger.
    »Ich würde gerne mit Ihnen sprechen«, sagte sie.
    »Nur zu.«
    »Nein, kommen Sie doch in das Lokal Ihres Freundes. Ich gebe Ihnen einen aus.«
    »Worüber wollen Sie mit mir reden?«
    »Was ist los, ist Ihr Terminkalender ausgebucht?«
    »Nein, ich wollte nur –«
    »Dann kommen Sie einfach rüber, Supermann.«
    »Ich bin heute nicht in der Stimmung für Spitznamen. Ich heiße Dave. Ehrlich gesagt, Kim, Sie klingen, als hätten Sie heute schon ein bißchen früh angefangen.«
    »Dann laden Sie mich zu einer Tasse Kaffee ein. Sie haben so eine väterliche Art. Kommen Sie jetzt oder nicht?«
    Zehn Minuten später war ich in Clete’s Club. Clete und sein schwarzer Helfer füllten die Kühltruhen mit Bier auf, und sie saß am hinteren Ende der Theke. Sie trug schwarze Strümpfe, einen Jeansrock und eine ärmelloses orangefarbenes Top. Ihr Haar war frisch geschnitten, so daß es kurz und dicht auf ihrem bleichen Hals lag.
    »Ich muß dir was sagen, bevor du wieder gehst«, sagte Clete zu mir, als ich an ihm vorbeilief.
    »Was denn?«
    »Später, mein Gutester.«
    Ich setzte mich auf den Barhocker neben Kim. Vor ihr stand ein Gin Gimlet, in eine Serviette gewickelt.
    »Wollen Sie auch einen?« fragte sie.
    »Nein, danke.«
    »Sie gehen doch nicht etwa ins Bordell, um dort der Musikbox zu lauschen, oder?«
    »Ich hab dem Zeug vor ein paar Jahren abgeschworen.«
    »Ich faß es nicht. Sie wollen mit Kokain handeln, aber Sie trinken nicht?«
    »Wie wär’s, wenn Sie mal halblang machten?«
    »Sind Sie sicher, daß das nicht alles nur Show ist?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich glaube, bei Ihnen ist irgendwas schwer durcheinander, das meine ich damit.«
    »Wie wär’s, wenn ich Sie zum Gumbo-Essen einlade?«
    »Ich finde Sie reichlich seltsam. Wachsen die Leute da draußen in den Bayous wirklich mit so abartigen Gedanken auf, daß Sie denken, Sie könnten in der Stadt den großen Reibach machen, wenn Sie sich auf Geschäfte mit jemand wie Ray Fontenot einlassen? Sind Sie wirklich so blöd?«
    »Was wollten Sie mir sagen, Kim?«
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen will.« Ihr Blick verlor sich ins Nichts. Die grünen und violetten Neonröhren auf dem Spiegel hinter der Theke leuchteten auf ihrem Gesicht. »Sie hören nicht zu, was man Ihnen sagt. Haben Sie denn da, wo Sie herkommen, nichts Besseres zu tun als das hier in New Orleans? Wollen Sie wirklich alles aufs Spiel setzen, nur wegen eines Geschäfts mit einem Haufen kleiner Scheißer, die nicht einmal auf Sie pissen würden, wenn Sie brennen?«
    »Warum machen Sie sich soviel Sorgen um mich?«
    »Weil Sie nicht versucht haben, mich anzumachen. Weil Sie in mancher Hinsicht nett sind. Und weil ich denke, daß Sie ein Fisch sind.«
    »Seh ich wie ein Fisch aus?«
    »Ich weiß, daß Sie ein Fisch sind, Honey.«
    Sie trank ihren Gimlet aus und winkte dem schwarzen Barkeeper nach einem weiteren. Er räumte ihr Glas ab und füllte aus dem Cocktailshaker ein neues. Die Farbe ihrer grünen Augen wurde etwas intensiver, als sie an dem Glas nippte.
    »Gibt es da etwas, das ich wissen sollte, Kim?« fragte ich.
    »Sie sind ein großer Junge. Sie müssen sich entscheiden. Sehen Sie die Flamingos da?«
    »Was?«
    »Die da am Spiegelrand aufgemalt sind. Rosa Flamingos. Als ich klein war, lebten wir in Miami. Mein Vater kümmerte sich um die Flamingos auf der Hialeah-Rennbahn. Vor dem siebten Rennen mußte er sie mit einem Besen in die Mitte der Rennbahn scheuchen und dann dafür sorgen, daß sie hoch über den Zuschauerrängen davonflogen. Das war sein Job. Ein sehr wichtiger Job, wie er meinte.«
    Sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas und öffnete

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