Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
»Sie machen heute einen Ausflug zu einer Eisfabrik, damit sie lernen, wie man Eis macht.«
»Ich bin in der Klasse der besonders Begabten. Wir machen jeden Freitag einen Ausflug«, sagte Paul. Er lächelte, wenn er redete. Er trug einen violetten Pullover und graue Cordhosen und saß auf Kissen erhöht in seinem Rollstuhl, damit er richtig an den Tisch kam. Sein braunes Haar war erst kürzlich geschnitten worden, und der Scheitel war wie mit dem Lineal gezogen. »Mein Daddy sagt, du warst auch im Krieg.«
»Das stimmt.«
»Meinst du, daß auch mal ein Krieg hierher kommt?« sagte er.
»Nein, hier ist ein schöner Ort, Paul«, sagte ich. »Wir brauchen uns um solche Sachen keine Sorgen zu machen. Ihr werdet sicher viel Spaß in der Eisfabrik haben.«
»Hast du auch einen Jungen oder ein Mädchen?« sagte Paul.
»Ein Mädchen. Sie ist ungefähr so alt wie du. Sie heißt Alafair.«
»Was macht sie gerne?«
»Sie hat ein Pferd. Sie füttert es gerne mit Äpfeln und reitet darauf, wenn sie aus der Schule kommt.«
»Ein Pferd?« sagte er.
»Ja. Wir nennen es Tex, weil wir es drüben in Texas gekauft haben.«
»Mannomann.«
Er hatte ein richtig liebes Gesicht, das nicht vom Bewußtsein der Grenzen, die ihm gesetzt waren, gezeichnet war.
»Vielleicht gehen wir mal mit Dave und seiner Tochter reiten«, sagte Tony.
»Das wäre schön«, sagte ich.
»Es gibt hier ein paar Reitwege, und manchmal fahre ich mit Paul auch rüber in den Parish Iberia«, sagte Tony. »Vielleicht schauen wir mal bei euch vorbei, laden euch zum Essen ein, machen eine kleine Bootsfahrt, so was in der Art«, sagte er.
»Ja, das ist eine gute Idee, Tony.«
»Ich höre den Bus«, sagte Paul.
Sein Vater hakte Pauls Schultasche, an der ein Vesperbeutel befestigt war, über die Lehne des Rollstuhls und schob ihn die Rampe hinunter zum wartenden Bus. Der Fahrer ließ eine mechanische Plattform hinten am Bus herunter, und er und Tony fixierten die Räder von Pauls Rollstuhl darauf. Bevor der Fahrer die Plattform wieder hob, bückte sich Tony und umarmte seinen Sohn, drückte seinen Kopf gegen die Brust und gab ihm einen Kuß aufs Haar.
Er kam wieder herein und setzte sich an den Tisch. Er trug lange weiße Tennishosen und einen dicken weißen Pullover mit blauen Streifen.
»Ein prächtiger kleiner Bursche«, sagte ich.
»Da können Sie drauf wetten. Haben Sie gut geschlafen?«
»Ja.«
»Gefällt es Ihnen in meinem Haus?«
»Es ist sehr schön.«
»Ich wünschte, meine Mutter hätte das noch erlebt. Wir haben in Algiers und im Irish Channel gewohnt. Um uns herum wohnten überall Farbige. Wissen Sie, womit meine Mutter ihren Lebensunterhalt bestritten hat?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sie hat Leichen das Haar gewaschen. Wenn sie heimkam, roch ich es an ihr. Nicht nur die Chemikalien. Genauso wie wenn man einen Leichensack öffnet. Nicht so intensiv, aber der gleiche Geruch. Wie ich das gehaßt habe. Ich glaube, das war der Grund, warum sie immer von den Limonen- und Zitronenbäumen daheim in Sizilien geredet hat. Sie erzählte immer, daß da auf dem Hof ihres Vaters so ein alter steinerner normannischer Turm gewesen sei, um den herum überall Limonen- und Zitronenbäume wuchsen. Wenn es richtig heiß war, spielten sie und ihre Schwestern in den Überresten des Turms, wo es schön kühl war, und im Wind rochen sie das Aroma der Limonen und Zitronen.«
Zwei Männer traten in die Küche, die Gesichter noch sehr schläfrig, und taten sich lautstark in den Küchenschränken um.
»Wo sind denn die Schüsseln für die Corn-flakes?« sagte einer von ihnen. Er war dünn und dunkel; er trug Slipper, und sein buntes Hemd war aufgeknöpft und hing ihm halb zur Hose raus, aber er hatte nicht vergessen, sein Schulterholster anzulegen.
»Dahinten rechts«, sagte Tony. »Okay, Jungs, auf der Warmhalteplatte im Eßzimmer stehen Eier mit Speck. Da steht auch noch Kaffee.«
Sie machten noch in der Küche herum und gaben keine Antwort. Dann gingen sie nach vorn ins Eßzimmer. Das waren nur zwei von acht Männern, die für Tony arbeiteten, die ich seit dem gestrigen Abend im Haus gesehen hatte. Sie hatten auf Sofas geschlafen, auf dem Dachboden, im Fernsehzimmer, im Gästehaus, und sie hatten die ganze Nacht über abwechselnd Patrouillengänge über das Grundstück gemacht.
»Das sind gute Jungs, halt etwas einfach gestrickt«, sagte Tony. »Fühlen Sie sich unwohl in ihrer Gegenwart?«
»Nein.«
»Ein paar von ihnen wissen, wer Sie sind.«
Ich
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