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Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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inhaliere er frische Morgenluft, und wischte sich das Gesicht mit der Handfläche sauber.
    »Jetzt geht’s mir ein bißchen besser«, sagte er.
    Zwei Männer hinten in der Dusche starrten seinen Penis an.
    »Wißt ihr Jungs nicht mehr, zu welchem Geschlecht ihr gehört?« sagte er.
    »Entschuldigung, Tony. Wir haben uns nichts dabei gedacht«, sagte einer der beiden.
    »Dann benehmt euch«, sagte er.
    »Sicher, Tony. Wir freuen uns alle, daß du hier bist. Nein, ich meine, natürlich tut es uns leid, daß sie dich hochgenommen haben, aber –«
    »Macht, daß ihr hier rauskommt«, sagte Tony.
    »Aber sicher doch, alles, was du willst. Wir –« Dann verlor der Mann die Sprache, und er und sein Freund verließen mit Handtüchern um die Hüften schnell die Dusche.
    »Das ist es, was keiner über Gefängnisse begreifen will. Sie sind voll von degenerierten Schwachköpfen«, sagte Tony.
    Ich begleitete ihn zurück zu unserer Zelle. Durch die Fenster im Korridor sah ich das Stadtzentrum von New Orleans und die Wolken, die die Lichter der Stadt umrahmten. Er zog Hose und Hemd an und legte sich barfuß auf die Pritsche mir gegenüber. Er verschränkte einen Arm hinter seinem Kopf. Aus seinem Haar tropfte Wasser auf die gestreifte Matratze.
    »Ich habe Paul versprochen, mit ihm morgen nachmittag zu einem Fußballspiel zu gehen«, sagte er.
    »Er wird es verstehen«, sagte ich.
    »So läuft das nicht mit Kindern. Man ist entweder für sie da oder nicht.«
    Er atmete tief aus und starrte die Decke an. Am Ende des Korridors brüllte jemand: »In fünf Minuten wird abgeschlossen.«
    »Wie komm ich da bloß raus, Mann?« sagte er.
    »Was?«
    »Ich habe ein Drogenproblem. Und zwar gewaltig. Ich hänge an der Nadel. Ich habe einen Blutdruck, mit dem man Eier kochen könnte.«
    »Haben Sie schon mal an eine Entziehung gedacht?«
    »Eine dieser Dreißig-Tage-Roßkuren im Spital? Und was ist mit Paul? Und was ist mit meiner Scheiß-Frau?«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie zieht ihn nie an, sie spielt nie mit ihm. Sie nimmt ihn nicht mit in die Stadt oder sonstwohin. Aber wenn ich sie rausschmeiße, wird sie vor Gericht erwirken, daß er ihr zugesprochen wird. Das ist ihr großer Trumpf. Und den reizt sie bis zum letzten aus. Ich hätte sie von diesem Psychopathen Boggs umlegen lassen sollen. Sie und dieses Arschgesicht in Houston.«
    »Wer?«
    »Sie treibt’s mit einem von den Dio-Leuten unten in Houston. Sie treffen sich in Miami. Deswegen fliegt sie immer da runter. Sagen Sie schon, Mann, Sie lesen doch viel. Was würden Sie tun?«
    »Sie versuchen, mit allen Monstern zur selben Zeit fertig zu werden. Fangen Sie doch mit der Sucht an.«
    »Hab ich versucht. Draußen im Militärhospital. Ich schätze, das werd ich nicht mehr los.«
    »Es gibt immer Wege, es loszuwerden, Tony.«
    »Ja, klar, und man kann auch den Gestank aus Scheiße rauswaschen. Sie sind heil heimgekommen, Dave. Ich nicht.«
    Er drehte sich auf die Seite, das Gesicht zur Wand. Als ich ihn noch einmal ansprach, gab er keine Antwort.
    Tagsüber ist der Lärmpegel in jedem Gefängnis sehr hoch und zermürbend, besonders an einem Samstagmorgen. Als ich aufwachte, schlugen Zellentüren, pochten Schuhe auf metallenen Wendeltreppen, schleiften Putztrupps Blecheimer über die Betonböden, prasselte Wasser aus den Duschen auf die gekachelten Wände. Ein Dutzend verschiedener Radiosender plärrte gleichzeitig, jemand furzte in eine Toilettenschüssel oder rülpste aus tiefstem Innern, Häftlinge riefen von den Fenstern aus irgendwelchen Freunden auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns zur Straße etwas zu – eine schmutzige Kakophonie mit metallischem Unterton, die mit solch ohrenbetäubender Intensität durch den langen Betonkorridor hallte, daß eine einzelne Stimme dagegen keine Chance hatte.
    Wir stellten uns an, als die Kapos die Speisewagen mit Maisgrütze, Würstchen, schwarzem Kaffee und Weißbrot hineinkarrten, und später spielten Tony und ich in unserer Zelle auf einem Damebrett, das jemand selbst gebastelt hatte, einige Partien. Weil wir nichts Besseres zu tun hatten, folgten wir dann Jess in den Fitneßraum am Ende des Korridors. Draußen war es warm und sonnig, so daß das einzelne Gitterfenster hoch oben an der Mauer geöffnet war, aber der Raum roch überaus intensiv nach den Männern, die da Hanteln und Gewichte hochwuchteten und lautstark wieder auf dem Betonboden absetzten. Sie hatten nackte Oberkörper, manche trugen auch nur noch Boxershorts oder

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