Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wechselnde markante Muster auf seine weiße Uniform. Ich hörte, wie die Straßenbahnschienen zu summen anfingen, dann sah ich weiter oben auf dem Boulevard die Straßenbahn, die in einem rauchigen Kegel aus Licht und Schatten, der dem Baumbaldachin über der Straße zuzuschreiben war, die Promenade hinunterwackelte.
»Als wir klein waren, haben wir immer Pennies auf die Schienen gelegt. Nachdem die Straßenbahn drübergefahren war, waren sie so groß wie Fünfzigcentmünzen«, sagte Tony und wischte sich mit einer Serviette Tomatensauce vom Mund. »Sie waren noch heiß, wenn wir sie wieder aufhoben.«
»Das ist nicht alles, was du gemacht hast, als du klein warst«, sagte Jess. »Weißt du noch, als du mit deinem Cousin damals die Arme hinter der Uniklinik gefunden hast?« Jess sah mich an. »Sie haben richtig gehört. Sie haben einen ganzen Stapel von Armen gefunden, die eigentlich verbrannt werden sollten. Nur daß Tony und seine Cousins sie mit kleingehacktem Eis in eine Kühlbox gelegt haben und damit in die Straßenbahn eingestiegen sind, als die ganzen Schwarzen gerade von der Arbeit kamen. Sie haben gewartet, bis der Wagen proppenvoll war, und dann ein halbes Dutzend dieser Arme an die Haltegriffe gehängt. Die Leute haben geschrien wie verrückt und sich in ihrer Panik, aus dem Wagen zu kommen, gegenseitig niedergetrampelt. Sie sind bei fünfzig Sachen aus dem Fenster geklettert. Ein großer Dicker ist direkt auf den Eisstand geplumpst.«
»Hey, solche Sachen darfst du Dave nicht erzählen. Sonst denkt er noch, ich bin ein Ungeheuer oder so was«, sagte Tony.
»Tony hat immer M-80er in die Toilette der katholischen Schule geworfen«, sagte Jess. »Es dauert nämlich ein Weilchen, bis die zünden. Bis sie explodiert sind, waren sie schon weit drin in den Leitungen, und jeder, der gerade auf dem Scheißhaus saß, bekam eine kleine Dusche von dem Wasser aus der Toilette.«
Die Leute an den anderen Tischen drehten sich zu uns und starrten uns mit offenem Mund an.
»Hast du fertig gegessen, Jess?« sagte Tony.
»Ich wollte mir noch etwas pecan pie holen«, sagte Jess.
»Wie wär’s, wenn du den Wagen holst? Ich muß nach Hause«, sagte Tony.
»Was hab ich jetzt wieder getan?«
»Nichts, Jess. Du bist ein Prachtbursche.«
»Du tust gerade so, als gehörte ich in ein Reagenzglas oder so was in der Art. Ich hab doch nur eine Geschichte erzählt.«
»Schon okay, Jess. Hol einfach den Wagen«, sagte Tony. Nachdem Jess gegangen war, sagte er zu mir: »Was soll ich denn tun? Er ist der einzige, der wirklich zu mir hält. Wenn es drum geht, mich zu schützen, könnte man einen Stuhl in seinem Gesicht zerschlagen, ohne daß er mit der Wimper zuckte.«
Ein paar Minuten später bog Jess mit dem Cabriolet um die Ecke und wartete vor dem Restaurant auf uns. Unter den Speichenrädern wehte Herbstlaub.
»Laßt mich bei meiner Wohnung raus, damit ich meinen Wagen holen kann«, sagte ich. »Ich komm dann etwas später zum Haus raus.«
Tony grinste. »Jede Wette, daß Sie zu Bootsie wollen. Grüßen Sie sie von mir«, sagte er.
Er hatte recht, eigentlich hätte ich jetzt in erster Linie an Bootsie denken sollen – aber das tat ich nicht. Nachdem sie mich bei meiner Wohnung auf der Ursulines Street abgesetzt hatten, rief ich Minos in seiner Pension an.
»Tut mir leid, daß Sie eine Nacht im Loch zubringen mußten. Wie war’s denn so?« sagte er.
»Was denken Sie denn?« Durchs Fenster konnte ich den Hund des Nachbarn an eine Bananenstaude im Blumenbeet pinkeln sehen.
»Hören Sie, ich habe ein paar Neuigkeiten über Boggs, aus denen ich zum Teil nicht recht schlau werde. Ein Informant meldete unserem Büro in Lafayette, daß Boggs vor zwei Tagen in New Iberia war. Was will er in New Iberia?«
»Wo hat Ihre Quelle ihn gesehen?«
»In einem Schwarzenviertel, weiter draußen auf dem Land. Was hat Boggs in einem Schwarzenviertel zu suchen?«
»Tony hat gesagt, Boggs hätte ihm erzählt, er wolle eine schwarze Frau erpressen, der ein Bordell gehört. Es hing irgendwie mit einem Mord an einem Redbone zusammen. Ich glaube, daß es sich bei dem Redbone um einen Mann namens Hipolyte Broussard handelt. Er hat Mietarbeiter vermittelt. Aber das alles hat Boggs Cardo erzählt, bevor er sich das Kokain da draußen auf dem Meer unter den Nagel gerissen hat. Ich habe keine Ahnung, warum er sich immer noch mit einer schäbigen Erpressung abgeben sollte, wenn er im Besitz von Kokain im Wert von einer halben Million Dollar
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