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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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hinweg. Ein gewundenes Sträßchen führte direkt zu dem Donutsladen aus weiß verputztem Backstein, der oben auf einem Hügel lag. Das Gebäude selbst war winzig, wurde aber von dem riesigen, drei Stockwerke hohen Neonschild der Kette angestrahlt.
    »Ein Wunder!«, rief Perry und griff schon wieder nach ihrem Notizbuch.
    Die Einfahrt zu dem Dunkin’ Donuts war noch nicht einmal asphaltiert. Schotter spritzte unter Cumulus’ Reifen weg, als sie vorfuhren.
    »Man soll durch die Drive-in-Spur fahren«, erinnerte sich Perry.
    Alicia lenkte das Auto auf die rostige Sprechanlage an der Seite zu. Das Ding schien Bekanntschaft mit dem Baseballschläger eines jugendlichen Vandalen gemacht zu haben. Im Lautsprecher knisterte und rauschte es, dann hörten sie eine müde Frauenstimme fragen: »Ja?«
    »Äh«, sagte Alicia, »drei Whoopietörtchen.«
    Cam brach in Gelächter aus, und Perry quietschte vor Vergnügen.
    »Ich glaube, es heißt Whoopiekuchen«, verbesserte Cam.
    »Wo ist der Unterschied?«, fragte Alicia und musste selbst kichern. Sie waren alle ein bisschen überdreht, weil sie zu lange im Auto gesessen hatten. »Whoopiekuchen«, sagte sie in die Sprechanlage, »und drei Schokoladenmilch bitte.«
    »Whoopietörtchen klingt einfach so falsch«, gluckste Cam, als sie zum Bezahlschalter herumfuhren.
    »Whoopietörtchen, Whoopiekuchen, klingt alles ziemlich falsch«, stimmte Alicia ihr zu.
    Die massige Frau mit fettigen, zu einem Knoten zusammengebundenen schwarzen Haaren an der Ausgabe hatte sie offenbar lachen gehört, denn sie sah sie finster an, als sie das Geld entgegennahm und ihnen die Whoopiekuchen, die nichts anderes als große, flache Schokoladencremeschnitten waren, und die drei Schokomilch reichte.
    »Entschuldige dich, Mom. Du hast dich über ihre Produkte lustig gemacht«, flüsterte Perry.
    »Danke«, sagte Alicia zum Fenster hinaus. »Wir sind nur sehr müde.«
    »Ach ja«, sagte die Frau.
    Ehe sie den Parkplatz verließen, blieben sie noch einen Moment mit laufendem Motor stehen. »Wenn du in Maine bist, benimm dich wie die Mainer«, sagte Alicia, und dann bissen sie alle drei gleichzeitig in ihre Whoopiekuchen.
    »Prost«, sagte Perry kichernd. Sie hob ihren Schokomilchkarton, und sie stießen miteinander an. Ein plötzlicher Windstoß schüttelte ihr kleines Auto und teilte das Unterholz vor ihnen, sodass eine Schotterpiste zum Vorschein kam.
    »Das muss es sein«, sagte Alicia. Sie lenkte Cumulus um den Müllcontainer des Lokals herum und jagte ihn durch die Büsche. Nach rund fünfhundert Metern endete der Wald und gab den Blick auf eine wunderschöne – wie sogar Cam zugeben musste – versteckte kleine Bucht in der Penobscot Bay frei.
    Die schiere Echtheit des Ganzen haute Cam um. Sie war noch nie an einem Ort gewesen, der nicht vorgab, etwas anderes zu sein. Doch das hier tat nicht so, als wäre es Maine. Es war weder maineähnlich noch maineartig. Es war nicht McMaine oder MaineWorld oder MaineLand. Es gab nicht einmal eine Reklametafel mit einem riesigen Hummer darauf, die sie willkommen hieß. Es war einfach nur Maine.
    Ein paar graue Holzbaracken entlang des Kais bildeten einen wackeligen Schutz vor dem blauen Hafen mit seinen Wellen. Weiter den Hang hinauf, vom Wasser weg, wurden die Häuser fester und massiver. Die verschiedenen Backsteingebäude an der Hauptstraße beherbergten die Feuerwache, vor der ein schreckhafter Dalmatiner auf und ab trabte, einen Haushaltswarenladen und ein paar Kunstgalerien, die sich in einer ehemaligen Kornmühle befanden. Das große Mühlrad war noch in Betrieb und bot ein paar Kleinkindern Unterhaltung, die es von einem Zaun aus bewunderten und dabei an ihren Eistüten von dem Eiscafé gegenüber schleckten. Am Ende der Straße stach die spitze, weiße Nadel eines Kirchturms in den Himmel, als wäre dieser ein großer, blauer Ballon, der zum Platzen gebracht werden sollte.
    Cam ließ das Fenster herunter und nahm ihre Ohrstöpsel heraus. Das Geräusch der dumpf scheppernden Bojen weiter draußen harmonierte gut mit dem Schwappen der Wellen gegen die Kaimauer und dem Geschrei der Möwen. Die schrägen Strahlen der untergehenden Sonne wurden gerade genug von einem feinen Dunst über dem Wasser gemildert, dass man nicht die Augen zusammenkneifen musste. Es war weder zu heiß noch zu kalt, weder zu trocken noch zu feucht. Alles war vollkommen und vermittelte ein Gefühl, als würde man in ein frischbezogenes Bett steigen.
    »Ich verzeihe dir«, sagte sie zu

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